Public Relations

1. Public Relations ist die Kunst, eine Aussage soweit auszudünnen, dass sie ohne zu lügen nichts sagt, was den eigenen Interessen zuwiderläuft, obschon sie für andere voller Versprechungen zu sein scheint.

2. PR ist eine Aussage wie Muzak Musik ist: ein beruhigendes Hintergrundgeräusch, das das Publikum dazu animieren soll, seine emotionale Bedürftigkeit in materielle Bedürfnisse umzudeuten.

3. Politische PR: In dem Mass, in dem die politische Auseinandersetzung im öffentlichen Raum durch das Agenda Setting von PR-Instanzen gesteuert und diskursiv infiltriert wird, in dem Mass wird die politische Auseinandersetzung entöffentlicht. Der Diskurs der Agora, der – ehedem oder doch: idealtypisch – demokratisierend wirkte durch seine Öffentlichkeit, findet heute in den privaten Arenen der PR-Instanzen statt und wird über massenmediale Einwegkanäle verbreitet. PR heisst, dass Private unter Umgehung einer tatsächlichen Öffentlichkeit Private indoktrinieren, was von der Welt zu halten und wie sie zu verändern sei.

4. Mission ist das aussterbende Kunsthandwerk der Indoktrination, PR der zeitgemässe Industriezweig in der säkularisierten Welt.

5. PR ist der Standard der Aufklärung in der Postmoderne. Das Beharren auf Inhalten und Kommunikationsformen historischer Aufklärung dagegen ist das Symptom einer speziellen Form der Begehrensneurose, die vorab Intellektuelle trifft. Die Prognose ist schlecht: Häufig führt die Krankheit in Langzeitarbeitslosigkeit, Ausgrenzung und Depression. Die landläufige Therapie: Schweigen lernen und regelmässig Massenmedien konsumieren.

(01. + 02.09.2005; 28.08.2017)

 

Nachtrag

In der letzten Zeit habe ich mich wieder vermehrt mit Fragen der Public Relations beschäftigt. Unter anderem habe ich Edward Bernays 1928 erstmals erschienenes Buch mit dem erhellenden Titel «Propaganda. Die Kunst der Public Relations» gelesen.[1]

Dieser Buchtitel sagt: Public Relations ist Propaganda, das heisst Öffentlichkeitsarbeit. Öffentlichkeitsarbeit ist die Kunst, die Öffentlichkeit in einer gewünschten Richtung zu bearbeiten – und zwar nicht mit «Fake News» (wie man zurzeit das bewusste Verbreiten von Unsinn und Lügen bezeichnet), sondern mit korrekter Information. Allerdings nur, soweit sie opportun ist. Diese «korrekte Information» wird mit Rhetorik zur «ganzen Wahrheit» stilisiert. Ihre möglichst neutrale und gut vermittelte Nacherzählung gilt den Leitmedien heute als journalistischer State of the Art.

Journalismus ist zu einem naiven Handwerk geworden, das sich immer ausschliesslicher an eine probate Arbeitsteilung hält (zur Ehrenrettung füge ich bei: halten muss): Die Richtung, in die die Öffentlichkeitsarbeit wirken soll, bestimmt jener Akteur, der diese Arbeit bezahlt. Für die Propaganda gilt deshalb immer: Wer zahlt, befiehlt, was wahr ist. Zunehmend ausschliesslich darauf gestützt gilt für den Journalismus danach: Nur was wahr ist, darf man sagen.

Das Wort «Propaganda» verweist auf ein ehrenwertes Handwerk: 1622 schuf Papst Gregor XV als Instrument der Gegenreformation die «Congregatio de propaganda fide», ein Gremium zur Verbreitung des (richtigen) Glaubens. Bis heute tut Propaganda nichts anderes, als den richtigen Glauben zu verbreiten. Allerdings ist sie unterdessen zu einem industrialisierten Dienstleistungsbereich geworden und hat sich ausdifferenziert: Neben der religiösen, gibt es heute politische, wirtschaftliche und ideologische Propaganda und natürlich jene, die permanent am Narrativ des geopolitischen Glaubensbekenntnisses arbeitet: Das «Unservater» der säkularen westlichen Welt lautet in der Kurzfassung: «Wir» sind die Guten, trotz allem, amen – alles Folgende sind Ausführungsbestimmungen. Das ist natürlich Kriegspropaganda, von der man nicht annehmen sollte, es gebe sie nicht, bloss weil die Kriege anderswo stattfinden.

Dass von Propaganda selten gesprochen wird, hat den Grund darin, dass der Begriff seit dem frühen 17. Jahrhundert mit einem klebrigen Belag von Manipulation, Betrug und Repression überzogen worden ist. Darum schlug Barays 1928 vor, die «Propaganda-Fachleute» als «Public-Relations-Berater» zu adeln.[2] Mit Erfolg: Der Begriff «Public Relations» wurde im 20. Jahrhundert zu einem der wirkmächtigsten Euphemismen, den die deutsche Sprache bis heute kennt (Euphemismen tönen im Deutschen halt heutzutage häufig ein bisschen englisch – wie sie früher ein bisschen lateinisch geklungen haben).

Für den täglichen Medienkonsum habe ich mir in diesem Jahr vorgenommen, noch misstrauischer hinzuschauen. Es gibt heute kaum mehr Sätze, Bilder oder Töne, die anders als durch Propaganda interessengesteuert in die Öffentlichkeit gelangen würden. Kompliziert ist das deshalb, weil die als glaubwürdig geltenden Leitmedien sehr wohl grosso modo mit «Wahrheit» gefüllt sind, aber eben nur mit opportuner. Deshalb ist die inopportune Wahrheit, über die geschwiegen wird, die eigentlich spannende. Bloss können MedienkonsumentInnen kaum je wissen, ob es an einem bestimmten Punkt tatsächlich eine gibt und wie sie lauten würde.

Inopportune Wahrheiten werden von den Leitmedien mit dem Begriff «Verschwörungstheorie» belegt, was die Sache noch komplizierter macht: Der öffentlich platzierte Totschlägerbegriff «Verschwörungstheorie» kann in jedem einzelnen Fall propagandistischer Kampfbegriff gegen politische Dissidenz sein, die mit inopportunen Wahrheiten opportune Narrative in Frage zu stellen versucht. Das heisst andererseits nicht, dass es keine Verschwörungstheorien gibt und der Vorwurf der Verschwörungstheorie im konkreten Fall nicht richtig ist. Bloss ist es in den allermeisten Fällen so, dass MedienkonsumentInnen nicht über das nichtöffentliche Wissen verfügen, um die eine von der anderen Möglichkeit zu unterscheiden.

Mein Motto als Medienkonsument lautet deshalb zurzeit: Glaub keinem Medium, aber misstraue auch immer ein bisschen deinem Misstrauen: Am Ende stimmt’s sogar.

[1] Edward Bernays: «Propaganda. Die Kunst der Public Relations». Berlin (orange-press) 2014.

[2] Barays, a.a.O., S. 40f.

(28.08.2017; 06.06.2018)

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