Ermutigung zu Unfertigem

In einer Mail vom 15. April 2018 schreibt Matthias Hui unter anderem: «Diesmal war es die angekündigte Neuerscheinung von Walter Vogt, die mich verleitet hat, in dein Stückwerk einzutauchen. […] Das Navigieren in deinen Texten beeindruckt mich einfach auch deshalb, weil da klar wird, dass man dein Werk nicht einfach systematisch durchlesen, durcharbeiten und dann ad acta legen kann. Es verleitet zu Sprüngen, zu Verknüpfungen (im Internet, im Kopf, in den Texten selber) und ermutigt zu Unfertigem, zu eigenen Rückschauen, zum Abschweifen. Merci jedenfalls sehr!»

Für mich ist diese Rückmeldung wichtig, weil sie eine Lesart der Werkstücke anspricht, die auch mir vorschwebt – und zwar desto mehr, je länger ich an diesem Textkonvolut redigiere. Was ich aus der Distanz besser sehe als früher: Mir ist es nicht gegeben, in einem philosophischen Sinn konsequent zu denken. Immer gibt es Unschärfen, Dunkelheiten, ab und zu Widersprüche. Klar, ich habe keine systematische Ausbildung erhalten, hier werkelt ein Autodidakt. Wo ein Philosoph wohl zentrale Begriffe definieren und in der Bedeutung konsequent durchhalten würde, um anderes variabel halten und zu neuen Einsichten oder Aussagen entwickeln zu können, sind in meinen Werkstücken, so scheint mir, jederzeit alle Begriffe im Fluss, immer ist da ein grundsätzlicher Zweifel, immer eine Faszination für neue Bedeutungen, für die Nichtidentität des Identischen an den Begriffen.

So sind keine Welterklärungen zu formulieren. Aber, wer weiss, vielleicht sind Erklärungen, warum es keine Welterklärungen gibt, die für alle Eventualitäten taugen, sowieso wertvoller. «Ermutigung zu Unfertigem». Welch schönes Kompliment für das «Stückwerk».

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