Unterwegs in der Stadt

1.

Am Rand einer Demonstration. Unter den Lauben der Altstadt gehen zwei Servierfrauen nebeneinander, beide tragen Tabletts voll leeren Geschirrs aus der Gasse ins Etablissement ihres Arbeitsgebers hinein. Die ältere der beiden sagt zur jüngeren: «Wenn i sGäut hätt – uswandere, abfahre, fertig.»

2.

Auf einer Sitzbank hinter dem Weltpost-Denkmal sitzt ein junger Mann und sagt ein bisschen gelangweilt ins Handy: «Mir chöi guet zäme rede, weisch, aber es isch klar, dass nid irgendwie… weisch.»

3.

Um Mitternacht steht eine Gruppe Jugendlicher vor dem Zytglogge-Turm, drei Frauen, zwei Männer. Sie unterhalten sich lautstark. Einer der Männer ruft aus: «Aber weisch, so öppis macht mi eifach geil.»

4.

Das Aufblitzen im redenden Mund des Gegenübers ist kein Goldzahn, sondern das eitle Zwinkern seines Gottes.

5.

Frühmorgens im Bus. Ein mittelalterlicher Freak leiert mit einer adipösen Frau über Internet und über Audiovisuelles auf You Tube. Mittendrinn sagt er: «Es git eifach zviu Künschtler.»

6.

Gespräch im Bus. – Sonntagvormittag, zwei Männer im Bus stadteinwärts. Der eine sitzt auf einem Einzelsitz, vielleicht fünfundfünfzig, angegrautes Haar, Schnauz, nicht sehr sauber rasiert. Der andere, jenseits des Gangs breitbeinig auf einem Doppelsitz, bedeutend älter und bullig, das eine, wohl schmerzende Bein steckengerade weit in den Gang hinaus gestreckt. Die beiden schweigen, gegrüsst haben sie sich, soweit ich es mitbekommen habe, nicht. Dass sie sich kennen, ist für mich nicht zu erraten.

Als sich der Jüngere kurz vor einer Station in der Altstadt erhebt und aussteigen will, sagt der ältere plötzlich laut über den Gang: «U dir Frou, geit’s besser?» Der andere, schon stehend und halb der Ausgangstür zugewandt, erwidert unwirsch: «Was? Mi Frou? Die isch gschtorbe.» Dann geht er grusslos. Der Ältere bleibt ebenfalls grusslos sitzen und blickt ins Leere.

(21.02.1999; 21.10.2005; Notizheft 29, 25.5.-14.10.; 31.10.2011; 25.04., 02.+19.05.2018)

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