Stoffe (wofür?) II: Die letzte Generalversammlung

Von der letzten Generalversammlung von Fritz Jean Begerts «Institutsgemeinde» bezeugt deren Sekretär Guido Haas, dass nur noch sie beide daran teilgenommen hätten. Auseinandersetzung mit dem «Holzboden Schweiz» im Bezug auf «Aufklärung» in einem breiten kulturpolitischen und pädagogischen Sinn. Diese Generalversammlung aus Begerts Sicht schildern.

(12.03.1993)[1]

[1] Die Notiz war undatiert. Im Typoskript «Ur-Begert» ist aber erwähnt, dass ich am 13. März 1993 mit Guido Haas über diese Generalversammlung gesprochen habe. In meinem elektronischen NONkONFORM-Archiv finde ich eine stark korrumpierte Word-Datei, die eine umfangreiche Teiltranskription der Tonbandaufzeichnung beinhaltet, die Haas von der 27. Generalversammlung der Institutsgemeinde am 24. November 1973 gemacht hat. Auf diese Transkiption, das zeigt ein grober Textvergleich, stützt sich das nachfolgende Fragment des Stücks. Im Buch «Begerts letzte Lektion» (S. 173) erwähne ich, «die allerletzte Vorstandsitzung» habe «ungefähr 1980» in Romainmôtier – Begerts letztem Wohnort – stattgefunden. Es scheint, dass die «letzte» Generalversammlung dank der Treue von Guido Haas mehrmals stattgefunden hat.

 

Nachtrag 1

Im Winter 1993/94 habe ich begonnen, ein Konzept zu einem Dreipersonenstück und dieses selbst zu schreiben. Das Stück ist Fragment geblieben. Das Buchprojekt «Begerts letzte Lektion» hatte Priorität. Später ist die Arbeit liegengeblieben. Hier ist sie.

Konzept zu einem Dreipersonenstück

1. Die Idee

Ein Theaterstück, Arbeitstitel «Die Generalversammlung», Ausgangsmaterial: Die Generalversammlung vom 24. November 1973 der sogenannten «Institutsgemeinde» (wovon bei Guido Haas ein Tonbandprotokoll existiert).

2. Der Stoff

Fritz Jean Begert (* 1907) aus Hilterfingen ist ein gescheiterter Reformpädagoge. Weltanschaulich versteht er sich als Panidealist, also als Vertreter der Weltanschauung von Rudolf Maria Holzapfel. Als einer der panidealistischen Apostel will er die Lehre des Meisters über die Pädagogik in die Gesellschaft hineintragen. Dies versteht er als seine Mission. Er scheitert. Übrigens tut er dasselbe, was seine Kollegen des Oberseminars tun, die – unter dem Einfluss des gemeinsamen Lehrers Friedrich Eymann – über die Pädagogik die Lehre Rudolf Steiners, die Anthroposophie, in die Gesellschaft hineintragen, indem sie Steiner-Schulen gründen. Letztere tun das erfolgreich. 1942 gründet Begert, massgeblich unterstützt vom Berner panidealistischen Kreis, den Verein «Freunde des Erziehungsinstituts Fritz Jean Begert Bern» (1956 umgetauft in «Freunde des Werkes von Fritz Jean Begert»), die sogenannte «Institutsgemeinde». Zeitgleich mit den anthroposophischen Bemühungen um die erste Steinerschule im Kanton Bern (1946) versucht die Institutsgemeinde die Gründung einer Privatschule auf panidealistischer Basis. Begert entwickelt mit dem «differenzierten Gruppensystem» ein eigenes Schulmodell, über das er publiziert («Auf dem Bühl», 1942; «Lebendige Schule», 1943). Daneben hält er Vorträge, erringt Anerkennung über die Landesgrenzen hinaus und führt 1944 bis 1946 die Lombachschule bei Habkern (über die er 1953 ein weiteres Buch veröffentlicht). Als im Sommer 1947 der Institutsgemeinde im Kanton Freiburg das Schloss Surpierre als Geschenk angeboten wird und die Gründung des eigenen Instituts in greifbarer Nähe scheint, ist Begert auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Doch die Übernahme des Schlosses scheitert, weil in der Institutsgemeinde von panidealistischer Seite gegen den realitätsfremden, autoritären, genialischen Begert intrigiert wird und sich in der Folge die einflussreichen Mitglieder aus der Institutsgemeinde zurückziehen. Nach einem Jahr auf dem Schloss – in dem er der Schuleröffnung keinen Schritt näherkommt – muss Begert als Lehrer, verarmt, in Bumbach/Schangnau eine Staatsstelle annehmen, um seine Familie durchbringen zu können. 1953 kündigt er diese Stelle und will in Bern als freier Schriftsteller einen neuen Versuch zur Erreichung des eigenen Instituts unternehmen. Damit beginnt sein endgültiger sozialer Abstieg. 1955 trennt sich seine Frau mit den beiden Kindern von ihm. Trotz seiner charismatischen Erscheinung und seiner rhetorischen Fähigkeiten machen ihn Alkohol- und Frauengeschichten zur zunehmend zwielichtigen Gestalt. Er ist erneut gezwungen, eine Staatsstelle anzunehmen (Ringoldswil/Sigriswil, 1956-1968). Eine weitere Chance, «sein» Institut zu eröffnen, erhält er nicht mehr. Die Institutsgemeinde ist im Sinn des Zweckartikels (Eröffnung eines Instituts) längst bedeutungslos geworden und wird zur privaten Fürsorgeinstitution für Begert, deren Mitgliederbeiträge aber bald die Höhe von einigen hundert Franken nicht mehr übersteigen. Seit 1968 lebt Begert privatisierend in der Maison Lerber in Romainmôtier, beschäftigt mit verschiedenen Manuskripten, von denen keines mehr bis zur Publikationsreife gedeiht. Er stirbt 1984 in Romainmôtiers Altersheim.

3. Die Situation

a) Der 66jährige Fritz Jean Begert eröffnet an der Schmalseite eines langen Tisches die Generalversammlung der «Institutsgemeinde». Neben ihm sitzt ein einziger Anwesender, Guido Haas, Präsident ad interim, Sekretär und Kassier in einer Person.

b) Statt der erwarteten Vereinsmitglieder erscheint eine Gruppe neutral gekleideter Schauspieler (alles Männer oder einige Männer und eine – «die» – Frau). Dieses Spielpersonal markiert in der Folge auf einer zweiten oder Vorbühne szenisch; es wechselt am Rande der Bühne – sichtbar – Kleider und Rollen.

4. Drei Zeitebenen

Auf einer ersten zeitlichen Ebene laufen Bühnenzeit und die Zeit der «Generalversammlung» parallel: strenge Einheit von Ort und Zeit. Auf einer zweiten Ebene wird das gesamte Leben und Werk Begerts verhandelbarer Stoff. Die Zeit läuft tendenziell rückwärts: von der illusionären Gegenwart und der Mythisierung des Vergangenen zurück zum realen Augenblick des Scheiterns zurück zum utopischen Entwurf des Aufbruchs. Auf einer dritten Ebene werden diese beiden Zeitkonzeptionen aufgehoben in der Zeitlosigkeit des Bühnenspiels. Ebene zwei soll sich zu Ebene eins nicht funktional im Sinne episodischer Illustrierung verhalten. Die Mechanik der beiden Ebenen sollen sich vielmehr derart und soweit verzahnen, dass sich die dritte Ebene als das qualitativ Andere, das Spiel, daraus entwickelt.

5. Begert ist nicht Kürmann

Die Ausgangsidee erinnert in gewissem Sinn an Max Frischs «Biografie: Ein Spiel»: Dort wie hier wird vergangenes Leben zum dramatischen Spielmaterial; dort wie hier muss der grundsätzlich epische Charakter der Biografik theaterfähig gemacht werden (Frischs Idee hierzu ist der «Registrator», eine Art Spielleiter). Frischs Grundannahme, die er der Figur Kürmann in den Mund legt, ist folgende: «Biografie! Ich weigere mich zu glauben, dass unsere Biografie, meine oder irgendeine, nicht anders aussehen könnte.» [1] Begert hat ein anderes Problem: «Ich weigere mich zu glauben, dass eine wertvolle Idee wie mein differenziertes Gruppensystem nicht die Welt erobern kann.» Er macht beim Versuch, eine eigene Idee in den herrschenden pädagogischen Diskurs einzubringen und sie in eine Praxis zu überführen, die Erfahrung, dass die Zeit der «genialen Würfe» Einzelner vorbei ist (wenn es sie denn jemals gab): Wer nicht über eine Lobby im Rücken verfügt, wird abgedrängt aus dem Feld gesellschaftspolitischer Praxis. Begert will nicht akzeptieren, dass er ausserhalb dieses Feldes steht und deshalb für jegliche gesellschaftspolitische Praxis irrelevant ist, egal, welche Ideen er vertritt. Nicht die eigene Biografie wird zum Spielmaterial, sondern die ganze Welt, deren Entscheid gegen seine Idee sie für Begert als ganzes hat suspekt werden lassen: Sie ist für ihn nicht mehr die «richtige» Welt. Deshalb behauptet er eine Welt, die so ist, dass sie auf seine Idee gewartet hat und sie begierig aufnimmt.

6. Pestalozzi und Begert: Tragödie und Farce

Bei der Lektüre von Peter Stadlers erstem Band der «Geschichtlichen Biographie» Heinrich Pestalozzis[2] fällt auf, dass sich eine ganze Reihe Charakterzüge Pestalozzis mit solchen Begerts treffen. Für Pestalozzi sei eine «gewisse Überheblichkeit» und «ein fehlendes Augenmass für die eigenen Grenzen» (I/19), ein «Hang zu Selbsttäuschungen» (I/174), ein «Hang zur Selbstüberschätzung» und der «damit zusammenhängende Mangel an Selbstkritik» (I/136) typisch gewesen. 1778 schreibt Tscharner an Iselin: «Er [Pestalozzi, fl.] hat aber alles verderbt, wyl er sich nicht will rahten lassen und immer zu hoch fährt» (I/173). Pestalozzi sei ein «zwischen Hochgemutheit und Depressionen schwankender Mann» gewesen (I/143) und habe eine «Meisterschaft in der Entfaltung einer Strategie der Selbstrechtfertigungen» entwickelt (I/149). Bei Pestalozzi habe es sich gezeigt, dass ein «Menschenfreund ein sehr schlechter Menschenkenner sein» könne (I/139). Ihn habe ein «Mangel an bürgerlicher Tüchtigkeit» (I/19) ausgezeichnet, an anderer Stelle ist von «Pestalozzis Geschäftsunkenntnis» die Rede (I/121), an einer dritten heisst es lakonisch: «Nun war Pestalozzis Verhältnis zum Geld stets ein Kapitel für sich» (I/133), wobei «der scharf- und auch tiefsinnige Denker fast immer dann versagte, wenn es um Praktisches ging» (I/384). Charakteristisch seien für Pestalozzi «politisches Engagement», eng verbunden mit «moralischem Rigorismus» gewesen (I/100). Zur Zeit nach Mai 1768 bemerkt Stadler: «Er [Pestalozzi, fl.] war in diesen Monaten erfüllt von Plänen und Beschäftigungsvorhaben, ohne dass eine wirkliche Tätigkeit sich belegen liesse» (I/120) – gleiches liesse sich über Begerts Monate auf Schloss Surpierre 1947/48 sagen. Auch zum merkwürdig Zögerlichen, das an Begert viele beobachtet haben, wenn sich ihm eine konkrete Chance bot, findet sich bei Pestalozzi die Entsprechung: «[…] Dr. Hotz wie auch seine Mutter drangen in ihn, sie [die Chance, fl.] zu ergreifen. Er aber hielt zurück.» (I/121). Und kurz darauf: «[…] jedenfalls griff er nicht zu, und so ging das Gut […] in andere Hände über». (I/124) Oder die Entsprechung zu Begerts Vorliebe für Herrschaftsbauten als Kulisse für seine Privatschulprojekte: «Die Ansprüche waren anfänglich recht hoch; ein herrschaftliches Anwesen sollte es sein.» (I/123) Pestalozzi hielt sich auf dem Neuhof denn auch «vornehmlich an die Schlossherren der näheren Umgebung» (I/153) – Begerts Tick für alles Adelige wird immer wieder geschildert. Was Pestalozzi häufig fehle, sei das, «was einer grossen Persönlichkeit stets wohltut: die Bewunderung» (I/331). Insgesamt attestiert Stadler Pestalozzi ein «höchst individuelles Aussenseitertum» (I/128). Sogar in der Denkart scheint es über das pädagogische Interesse hinaus bemerkenswerte Parallelen zu geben, etwa wenn Pestalozzi den Panidealismus antizipierend in den «Nachtgedanken» sagt: «Also ruhet die wahre Weisheit der Staatskunst auf der Seelenkunde» (I/380) (vielleicht müsste man allerdings genauer sagen: Nicht Pestalozzi hat den Panidealismus antizipiert, sondern die Panidealisten haben den deutschen Idealismus – in dessen Umkreis sich Pestalozzi geistesgeschichtlich bewegt – nachgeplappert). In der «Abendstunde eines Einsiedlers» ist von «allgemeiner Menschenwahrheit» und «Vereinigungswahrheit» die Rede (I/200) – hier müsste man untersuchen, inwiefern sich dieser Terminus mit Holzapfels «Panideal» überschneidet (allerdings scheint Holzapfel – laut Personenregister in seinem «Panideal»-Buch – Pestalozzi nicht rezipiert zu haben). Dazu kommt das Pestalozzi und Begert eigene «Volks»-Pathos: «Ich bin überzeugt, meine Wahrheit ist Volkswahrheit, und mein Irrthum ist Volksirrthum» (I/416). «Der 50jährige ist bei allem Verdruss ob der Verkennung durch die Gegenwart selbstbewusst und seines Ruhms bei der Nachwelt […] sicher» (I/444).

Ein Unterschied zwischen Pestalozzi und Begert ist, dass sich Pestalozzi in diesem Punkt nicht geirrt hat. Ein anderer Unterschied betrifft das Verhältnis zum «Genialen». Während Begert als Apostel des Panidealismus einen ausgeprägten und höchst unzeitgemässen Geniekult gepflegt hat, vermerkt Stadler zu Pestalozzi: «Doch fehlt jeglicher Kult des Genies» (I/203); Pestalozzi sei dem «Ichkult jener Geniezeit» (I/234) vollständig abhold gewesen. Dies ist der Punkt, in dem Begert – abgesehen von der pädagogischen Originalität – zur radikal anderen Figur wird als Pestalozzi. «Hegel bemerkt irgendwo», beginnt Karl Marx seine Abhandlung über «Den achtzehnten Brumaire des Louis Bonaparte», «dass alle grossen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen sich sozusagen zweimal ereignen. Er hat vergessen hinzuzufügen: das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce.» Eine Tragödie um die Figur Begert wäre in der Tat unerträglich, «Die Generalversammlung» muss eine Farce werden.

7. Täuschung nach der Enttäuschung

Gezeigt wird ein hoffnungsloses Spiel: der Versuch, den verpassten historischen Augenblick des glückhaften Handelns zu beschwören. Dem Augenblick des Handelns folgt ja jener des Gelingens oder des Misserfolgs: der Enttäuschung. Diese Enttäuschung wird allmählich überwuchert von einer neuen Täuschung: der illusionären Hoffnung, auf den vergangenen Moment des Handelns rückwirkend Einfluss nehmen zu können, auf magische Weise den Lauf der Dinge posthum verändern zu können. Begerts reformpädagogischer Entwurf sieht sich seit dem Scheitern der Institutsgemeinde (Surpierre, 1948) in jener Situation, in der Adorno zu Beginn der «Negativen Dialektik» jene Philosophie sieht, der «die Veränderung der Welt misslang». Ist die «Praxis auf unabsehbare Zeit vertagt», so Adorno, wird sie zum «Vorwand», «unter dem Exekutiven den kritischen Gedanken als eitel abzuwürgen, dessen verändernde Praxis bedürfte». Die Praxis (das in einer bestimmten historischen Situation als das zum gesellschaftspolitisch Notwendigen Postulierte) mutiert in ihrem Scheitern zu einem schicksalshaften Verhängnis. Nicht mehr das Projekt scheitert in der Welt, sondern, so will es nun scheinen, die Welt ist (als unwürdige) am Projekt gescheitert. An diesem Punkt ist Begert, der über die Welt lacht, weil sie ihn in seiner pädagogischen Genialität nicht erkennen will (während die Welt über seine Weltfremdheit und Skurrilität lacht). Weil sich seine Desillusionierung nur auf die Welt, die achtlos an seinem Besten vorbeigegangen ist, nicht aber auf sein real gescheitertes Projekt bezieht, wird er zur tragikomischen Figur. Das gezeigte Spiel ist deshalb hoffnungslos, weil es einen utopischen Entwurf nach seinem historisch möglichen Augenblick der Praxis zeigt. Weitergedacht werden kann ein solcher Entwurf nur in einem illusionären Raum (dieses Argument wäre auch im Hinblick auf Möglichkeiten und Grenzen der weiteren Sozialismus-Diskussion zu überprüfen: Sozialismus ist als utopischer Entwurf nur möglich, insofern er nicht mehr das bedeutet, was ich heute unter ihm verstehe).

[1] Max Frisch: Gesammelte Werke. Band 5. Frankfurt am Main (Suhrkamp) 1986, S. 502.

[2] Peter Stadler: Pestalozzi. Geschichtliche Biographie. Band 1. Zürich (Verlag NZZ) 1988.

 

Das Stück (Fragment)

Die Generalversammlung oder Die Mission des Fritz Jean Begert

Ein dokumentarisches Stück

fl.: «Aber was hat denn in Bern wirklich Wirkung gehabt? Gab’s keine wirksame Philosophie?»

Kurt Marti: «Nein. Die Berner sind eher Pädagogen und Theologen, wie die Schweizer überhaupt.»

(Aus einem Gespräch, 20. Oktober 1992, unveröffentlicht)

Personen:

Fritz Jean Begert, charismatischer, gescheiterter Reformpädagoge, nach einem leichten Gehirnschlag beim Sprechen ab und zu verlangsamt, 66jährig

Walter Fuchs, Sekretär und Kassier des Vereins «Freundes des Werkes von Fritz Jean Begert», Grafiker und Aussteiger (Selbstversorger in einem Krachen des Emmentals), 43jährig

Beatrice Guerini-Zurbuchen, Serviertochter, ehemalige Schülerin der Lombachschule von Fritz Jean Begert, 38jährig

1. Szene

(Kleiner Saal im ersten Stock des Cafés Rudolf am Hirschengraben in Bern. Begert mit schwarzem Schlapphut und Spazierstock und Fuchs in Jeans mit Aktenköfferchen treten ein und setzen sich an den langen, parallel zur Rampe stehenden Tisch; Begert in die Mitte, Fuchs links aussen an seine Schmalseite. Sie warten, Fuchs ordnet Papiere.)

Begert: Nun, Fuchs?

Fuchs: (blickt auf die Uhr): Viertel nach zwei. Bereits etwas mehr.

Begert: Dann fangen wir an.

Fuchs: Wir könnten’s ebensogut bleiben lassen.

Begert: Wir wollen anfangen.

Fuchs: Bitte, Herr Begert. (Nimmt Schreibstift und Papier, schreibt.) «27. Generalversammlung der Institutsgemeinde – »

Begert: – schreiben Sie bitte den Namen unserer Gemeinschaft korrekt, Fuchs –

Fuchs: « – Generalversammlung des Vereins Freunde des Werkes von Fritz Jean Begert, Café Rudolf in Bern, 24. November 1973. Anwesend: Fritz Jean Begert und Walter Fuchs.»

Begert: Es ist bei uns eine schriftliche Entschuldigung eingegangen (greift in die Innentasche des Kittels.)

(Fuchs erhebt sich und holt das Couvert, das ihm Begert hinstreckt.)

Fuchs: (öffnet das Couvert und liest vor) «Verehrter, lieber Herr Begert. Wie gerne wäre ich wieder einmal zu einer Ihrer Generalversammlungen gekommen. Aber meine Gesundheit lässt es auch dieses Jahr nicht zu, die Reise nach Bern, die Sitzung und die Rückfahrt mit später Heimkehr zu bestehen. Sicher, es geht mir schon viel besser als im vergangenen Jahr und ich bin zuversichtlich, dass ich einmal wieder ganz auf die Beine kommen werde. Dann wird es mein erster Wunsch sein, Sie aufzusuchen, um mich nach dem Stand der Bewegung zu erkundigen. Für heute aber bitte ich Sie, meine Abwesenheit noch einmal zu entschuldigen. Ich wünsche Ihnen und Ihren getreuen Mitarbeitern eine erfolgreiche Sitzung. Mit meinen guten Grüssen Ihre Isy Meyer-von Werdt.»

Begert: Die gute Isy Meyer-von Werdt, ein edler Mensch, eine treue Seele. Es wäre ja auch ein Wunder, Fuchs, wenn heute, nach über dreissig Jahren und nach all den Enttäuschungen –. Viele sind gestorben. Stellen Sie sich vor, gegen 300 Mitglieder waren das damals, in der Blütezeit. Hingegen heute –

Fuchs: (beflissen blätternd) – noch 48 zahlende beim letzten Rechnungsversand vor zwei Jahren –

Begert: – heute, Fuchs, haben es Gesellschaften wie die unsere schwer. Auch die Schweizer Sektion des Weltbunds zur Erneuerung der Erziehung ist ja eingegangen. An die letzte Sitzung in Biel vor einigen Jahren ist noch eine einzige Person gekommen, das heisst, ich war verspätet. Die Serviertochter hat mir gesagt, es sei nur eine einzige Person gekommen und die sei wieder gegangen. So sass ich allein im Bahnhofbuffet. Schlechte Zeiten für Erziehungsgesellschaften.

Fuchs: Wenn keine weiteren Entschuldigungen vorliegen, kommen wir zum ersten Traktandum, Verlesung des letzten Protokolls – (blickt auf Begert).

Begert: Lesen Sie. Wir wollen hören.

Fuchs (liest): «Protokoll der 26. Generalversammlung im kleinen Saal des ersten Stockes des Cafés Rudolf, Samstag den 27. November 1971 –»

Begert: Das wäre ja vor zwei Jahren gewesen?

Fuchs: Ja. Wir haben die Generalversammlung vor einem Jahr abgesagt. Zwar verlangen die Vereinsstatuten ihre alljährliche Durchführung, aber wegen der weitestgehenden Inaktivität des Vereins –

Begert: Fahren Sie fort, Fuchs.

Fuchs: Bitte, Herr Begert. (liest) «Protokoll der 26. Generalversammlung. 1. Protokoll: Verlesung und Genehmigung des Protokolls der 25. Generalversammlung. 2. Jahresbericht: Da unser Verein seit langer Zeit keinen Präsidenten und keinen Vizepräsidenten mehr vorzuweisen hat, übernimmt Herr Begert den Vorsitz dieser Versammlung –»

Begert: – obschon ich dem Vorstand formell nie angehört habe, noch je anzugehören bestrebt war, steht das auch?

Fuchs: Das war nicht nötig, Herr Begert. Sie hatten jederzeit ein faktisches Vetorecht: (leiert herunter) «Die allgemeine Aufgabe des Vereins ist die Förderung des gesamten Werkes von Fritz Jean Begert. Eine besondere Aufgabe ist die praktische Verwirklichung des von Fritz Jean Begert geplanten und von ihm zu leitenden Erziehungsinstituts. Der Vorstand arbeitet in engem Kontakt mit Fritz Jean Begert zusammen und berücksichtigt nach Möglichkeit seine Wünsche und Anregungen.» Soweit der Zweckartikel der Vereinsstatuten.

Begert: Es ging um mein Institut. Ich trug die Verantwortung. Weiter, Fuchs.

Fuchs (liest): «In seinem Bericht zur Lage erläutert Herr Begert einmal mehr seine Pläne und Projekte, deren Ausführung aus tausenderlei Gründen einmal mehr nicht an die Hand genommen werden konnten. Herr Begert und Walter Fuchs berichten, wie seit Jahren regelmässig, über die fast vollständige Inaktivität des Vorstands. Fuchs stellt die Frage, ob es sinnvoll sei, dass der Vorstand aus Personen zusammengesetzt bleibe, die sich zum Teil überhaupt noch nie gesehen haben und die ohne Zweifel auch in Zukunft zu keiner Vorstandssitzung zusammengebracht werden könnten. Herr Begert erwidert, dass seiner Meinung nach einige Vorstandsmitglieder ersetzt werden könnten. Der Versuch, einen neuen Vorstand zusammenzustellen, scheitert mangels Kandidaten.»

(Die Serviertochter betritt den Raum.)

Guerini-Zurbuchen: Haben die Herren einen Wunsch?

Fuchs: Ein Mineralwasser.

Begert: Rivella, bitte. Fuchs, essen wir etwas Kleines? (Fuchs signalisiert diskret, zu wenig Geld zu haben.) Dann lassen wir das. Sagen Sie, hat in der Gaststube niemand nach unserer Generalversammlung gefragt?

Guerini-Zurbuchen: Nein. Die Gaststube ist fast leer, zwei, drei Stammgäste, sonst niemand. Ein Mineral, ein Rivella. Sofort. (ab)

Begert: Fahren Sie fort.

Fuchs: Es folgte damals Ihr Tätigkeitsbericht. (liest) «Auch im vergangenen Jahr hatte Herr Begert wieder mit vielen jungen Menschen Kontakt. Ob sich unter den offenbar sympathischen, begabten und begeisterten Studenten, Seminaristen, Künstlern, Schauspielern und Geschäftsleuten neue Mitarbeiter für die Institutsgemeinde finden, muss freilich Herrn Begert überlassen bleiben. Es ist heute nicht mehr möglich, ausserhalb der persönlichen Beziehungen Herrn Begerts Personen für sein Werk zu interessieren. Nicht zuletzt deshalb, weil es heute zwar in Büchern, Zeitungen, Radio und Fernsehen eine sehr lebendige pädagogische Diskussion gibt, unter den zahlreichen Stellungnahmen und Manifesten jedoch neue Beiträge von Fritz Jean Begert fehlen.»

Begert: Ich möchte hier zuhanden des Protokolls festgehalten haben, dass mein Schangnau-Buch vor dem Abschluss steht.

Fuchs: Ich erinnere Sie daran, dass Sie an diesem Buch arbeiten, seit sie vor exakt zwanzig Jahren die Stelle als Oberlehrer in Bumbach gekündigt haben. Ihre drei Bücher, die sie zuvor veröffentlicht haben, sind seit mindestens fünfzehn Jahren vergriffen.

Begert: Ich werde das Schangnau-Buch in den kommenden Monaten abschliessen, auch wenn es mir seit diesem schweren gesundheitlichen Rückschlag im letzten Sommer unendlich schwer fallen wird. Am Morgen hatte ich noch mit dem Kaminfeger geplaudert. Dann kam der Briefträger, dem ich etwas unterschreiben sollte. Aber ich konnte nicht. Plötzlich konnte ich nicht mehr schreiben. Plötzlich waren Schrift und Sprache weg. Der Briefträger hat den Doktor gerufen. Den ersten Brief, den ich danach zu schreiben versucht habe, musste ich zwanzigmal anfangen. Alles voller Fehler. Aber ich gebe nicht auf, ich schreibe weiter, Fuchs.

Fuchs: Nicht nur das Schangnau-Buch ist seit vielen Jahren angekündigt, Herr Begert. Ich erinnere an das Buch über ihre Thuner Zeit 1934 bis 1942 unter dem Titel «Vom geistigen Leben einer kleinen Stadt». Dann ihre Erinnerungen an Bettina Holzapfel. «Nächte in europäischen Städten». «Kampf für eine pädagogische Idee». «Grosse Erzieher». Titel von geplanten Büchern, Herr Begert.

Begert: Ich tue, was ich kann, Fuchs! Ich kämpfe mit unvorstellbaren Schwierigkeiten! Wissen Sie, was es heisst, nach dem ersten grossartigen Aufschwung der Institutsgemeinde in den vierziger Jahren, nach unserer erfolgreichen Vortragstätigkeit, mit der wir damals internationale Beachtung errangen, nach unserer Lombachschule im Habkerntal, nach all dem durch Intrigen und Verrat vom Weg abgedrängt und schliesslich von allen Mitarbeitern verlassen zu werden? Mitansehen zu müssen, wie eine grosse pädagogische Idee unverwirklicht ins Vergessen versinkt? Sein Bestes, bevor es erblühte und wirkte, stürzen zu sehn in den Orkus der Geschichte? Pestalozzis «Methode» hat 1799 auf dem Schloss Burgdorf zur pädagogischen Tat gefunden; mein differenziertes Gruppensystem wurde 1948 auf Schloss Surpierre verraten, bevor es Tat werden konnte. Seit einem Vierteljahrhundert ist alles nur noch Schwanengesang und nirgends zeigt sich ein neuer Aufschwung. Sie sind unser letzter aktiver Mitarbeiter, Fuchs.

Fuchs: Aktiv ist viel gesagt, Herr Begert. Mein Beruf frisst mich auf. Als Kassier des Vereins habe ich das Kassenbuch wieder nicht ins Reine geschrieben, kaum schaffte ich es, in den letzten Nächten als Sekretär dieses Protokoll fertigzustellen, das ich vor zwei Jahren hätte schreiben sollen. Aktiv ist wirklich übertrieben. Eher bin ich der letzte Passagier an Bord Ihres sinkenden Schiffs. Geblieben bin ich aus Respekt vor dem Kapitän, dessen Ideen mich einmal begeistert haben.

Begert: Danke, Fuchs.

Fuchs: Aber, um ehrlich zu sein, ich bin geblieben ohne die Hoffnung, dass das Schiff nicht untergehe und vielleicht doch noch irgendwo ankomme.

Begert: Aber wir sind doch angekommen! Vor über dreissig Jahren sind wir angekommen. Wir haben eine neue pädagogische Provinz entdeckt, einen neuen Kontinent des Geistes, Holzapfels neue panidealistische Welt. Unser Verein war und ist eine Vorhut im Kampf für diese Welt.

Fuchs: Obschon ich auch Holzapfels Ideen bewundere, muss ich sagen, muss ich heute sagen: Er war ein heilloser Phantast.

Begert: Holzapfel ein Phantast?

Fuchs: Holzapfel war ein überdrehter Schwärmer, der an dieser Schwärmerei fast kaputt gegangen wäre und sich in späteren Jahren seine bodenlose Weltanschauung nur deshalb leisten konnte, weil er eine Gomperz aus dem nobelsten Wiener Bildungsbürgertum geehelicht hatte, weil er sich während des Ersten Weltkrieges in die Schweiz absetzte und schliesslich in Muri vor der Stadt Bern draussen niederliess. In der Elfenau hat man ihn damals, in den zwanziger Jahren, sitzen sehen, wie er in die Weite träumte, leuchtenden Auges nach hoher Wahrheit suchend, wenn die sinkende Sonne am Horizont niederflammte und die Abendschatten sich sachte auf die Wipfel senkten. Das war Holzapfel! Heute liegt er im Keller seiner Kapelle im Mettlenwäldli über der Aare, eine vertrocknete Mumie, leblos wie seine Lehre, während die Welt Alexander Neills antiautoritäre Erziehung in Summerhill diskutiert oder Paolo Freires Pädagogik der Unterdrückten in den Slums der brasilianischen Grossstädte.

Begert: Fuchs, Sie haben Rudolf Maria Holzapfel nicht mehr gekannt…

Fuchs: …er starb 1930, zwei Monate vor meiner Geburt…

Begert: …aber ich, ich habe ihn gekannt! (erhebt sich plötzlich und geht um den Tisch in den Vordergrund der Bühne) Kommen Sie, Fuchs (Fuchs bleibt sitzen), ich will Ihnen zeigen, wer Holzapfel war. Stellen Sie sich vor: Bern, Frühsommer 1926. Ich war damals kaum halb so alt wie Sie heute. Im April hatte ich mich endlich vor den Pietisten des Evangelischen Seminars Muristalden gerettet, nachdem ich unter Qualen ihren geist- und seelenlosen, frömmlerischen Protestantismus drei Jahre lang erduldet hatte. Nun besuchte ich das staatliche Oberseminar in der Länggasse, fühlte mich so frei wie noch nie, wollte Kunstmaler werden, Kunstmaler oder Schauspieler, las, fragte, forderte von der Welt Antworten auf die grossen Fragen. Ich war hin und her gerissen zwischen Nietzsche und Marx, zwischen dem Expressionismus in Kunst und Literatur und der Anthroposophie Fritz Eymanns, meines neuen Religionslehrers. – Fuchs! (Fuchs bleibt sitzen). – Im Januar bereits hatte ich Anschluss gefunden an eine der Diskussionsgruppen, wie sie damals in Studentenkreisen Mode gewesen sind. Die einen erforschten das Leben Lionardos, die anderen jenes von Albert Schweitzer, die dritten studierten die Zielsetzungen der deutschen Reformschulen – unsere Gruppe aber nahm sich das «Panideal», Holzapfels Hauptwerk, vor. Bei jedem Treffen habe ich mich – wie Sie heute, Fuchs! – über Holzapfels hohen Idealismus mokiert und versucht, ihn lauthals zu widerlegen mit den schockierendsten Nihilismen, die mir einfielen. Bis mich eines Tages die Monika, Holzapfels Tochter – sie machte ja in der Gruppe auch mit –, ausgelacht und gesagt hat: Was Sie da erzählen, mein lieber Begert, ist alles Unsinn. Es würde mich jedoch freuen, wenn ich Sie mit meinem Vater bekannt machen dürfte. Ich garantiere Ihnen, in einer Stunde hat er Ihren heillosen Wirrkopf aufgeräumt. Natürlich war ich geehrt und ging hin. So bin ich zu meiner ersten Audienz bei Holzapfel gekommen. Fuchs! Kommen Sie!

2. Szene

(Lichtwechsel: Der Sitzungstisch im Hintergrund jetzt im Dunkeln, im Vordergrund Laborlicht.)

[Begert]/Holzapfel: Treten Sie ein, mein Lieber, treten Sie ein.

(Fuchs hat sich nun erhoben und tritt ebenfalls in den Vordergrund.)

[Begert]/Holzapfel: (während er musternd um Fuchs herumgeht) Meine Tochter Monika hat mir eine Fotografie von Ihnen gezeigt, nicht uninteressante Physiognomie. Begert, so heissen Sie doch? Begert – Begard, Begarde, auch Begharde mit h nach dem g. Wissen Sie, wer die Begarden waren? Beginen, aber männlich, eine Art Bettelorden, aber keine Klausur, kein Gelübde. Beginenhöfe sind seit dem 12. Jahrhundert bekannt, zuerst in Südbrabant, heutiges Belgien. Krankenpflege und Bettel, ansonsten asketisches, klosterähnliches Gemeinschaftsleben. Die Begarden wurden 1308 vom Papst verboten, danach zerstreut in der ganzen damaligen Welt. Begert – das h weggefallen, die betonte Endung -harde zum unbetonten -ert verschliffen. In der Tat ein charaktervolles Profil, mein Lieber – ein später Abkömmling mittelalterlichen, brabantischen Blutes.

Fuchs: (rapportiert unbeteiligt) Fritz Jean Begert wurde am 19. August 1907 als Sohn kleiner Leute in Hilterfingen am Thunersee geboren. Vater Bauzeichner im Baugeschäft Frutiger, stirbt im April 1929 erst 48jährig an den Folgen einer falsch behandelten Brustfellentzündung.

[Begert]/Holzapfel: Ein zorniger junger Mann seien Sie, sagt mir meine Monika. Voller nihilistischer Spitzen, trotzdem strebend bemüht, sozusagen, beseelt von hohen Idealen, die sich in ihrer Widersprüchlichkeit jedoch nivellieren.

Fuchs: Begerts Mutter hiess Jeanne, geborene Berthoud, Hugenottengeschlecht, Uhrmacher-Tochter, lernte Vater Begert in Fleurier kennen, wo dieser einige Zeit arbeitete. Hochzeit: Oktober 1906. Bekannt ist, dass sie sich am Thunersee ein Leben lang geweigert hat, richtig Schweizerdeutsch zu lernen. Sie stirbt im Mai 1958 75jährig.

[Begert]/Holzapfel: Begert, glauben Sie mir, ich habe grossen Respekt vor Ihrem jugendlichen Leiden, nur die Wertvollsten und Edelsten kennen es, und sie sind aller Hilfe würdig. «Kein Ideal, für das ich leben könnte. Auch bei den Grössten kein Wink. Selbst muss ich suchen, vielleicht finden.» Das sind Worte aus der Urfassung meines «Panideals». Fühlen Sie nicht auch so, mein Lieber?

Fuchs: Primarschule in Hilterfingen; Sekundarschule im Stiftsgebäude von Oberhofen. Bekannt ist, dass er mühelos lernte, sehr schöne Aufsätze schrieb, aber nicht gerne rechnete. Bekannt ist: Wenn man ihn zum Holzholen mit dem Huttli in den Wald schickte, brachte er statt der Tannzapfen zum Anfeuern Steine, Pflanzen oder eine tote Amsel aus dem Wald.

[Begert]/Holzapfel: Was Sie fühlen, was Sie umtreibt, Begert, ist die Allsehnsucht. Ach, wie ich sie kenne! Kein Ideal der vergangenen Kulturen kann ja dem tiefsten Verlangen unseres Wesens genügen. Wo wir hinsehen, finden wir die wichtigsten Kräfte des Lebens, alle Ziele und Ideale unversöhnlich gegeneinander gerichtet, atomare Zersplitterung, Einseitigkeit, chaotische Wirrnis, unorganische, unkünstlerische Verquickung widersprechendster Gegensätze und Sonderregungen. Moral und Kunst, Persönlichkeit und Gemeinschaft, Rationales und Irrationales, Glauben und Wissen, Wirklichkeit und Phantasie, Erde und Himmel, alles bekriegt sich, alles hemmt sich gegenseitig. Dieses Chaos der Ideale stiftet das Chaos in Ihrer Seele, Begert, und das Chaos in den Seelen der Menschen bildet die tiefste Ursache und Voraussetzung für das Chaos in den sozialen Verhältnissen.

Fuchs: Es ist bekannt, dass Fritz Jean Begert beim Schuljahresabschluss in der Kirche von Hilterfingen jeweils die längsten Gedichte rezitiert hat. Bekannt ist, dass er am Ende der Schulzeit damit begonnen hat, seine Zeichnungen und Bilder zu verkaufen.

[Begert]/Holzapfel: Gegen dieses Chaos, Begert, gegen diese unheilvolle Seelenblindheit und Geistesverkrüppelung erhebt sich in den Seelen der Wertvollsten die Allsehnsucht nach dem heiligen Ziel eines Ideals, das alle Separatideale, die schon in ihren Wurzeln den Widerspruch zu anderen Separatidealen tragen, übersteigt. Diese einheitliche und organische Synthese von ethischen, künstlerischen und religiösen Idealen nenne ich Panideal. Begert, beenden Sie ihr weltanschauliches Leiden, werden Sie Panidealist!

Fuchs: Es ist bekannt, dass Fritz Jean Begert als Bub Schmetterlinge sammelte, es aber jeweils fast nicht übers Herz brachte, die Tiere zu töten. Bekannt ist, dass wenn ihn die Mutter zum Kartoffelnholen in den Keller schickte, er auf der Kellertreppe sitzenbleiben konnte, um sich Notizen oder Skizzen zu machen. Bekannt ist, dass Begerts Mamme als impulsive und tatkräftige Frau ihrem Sohn früh ins Gewissen redete, wenn er derart langsam arbeite, wie er es gewöhnlich tue, werde er es später zu nichts bringen.

[Begert]/Holzapfel: Begert, ich sehe ihre Augen, ihre Nase, ihre Stirne – Sie werden in einem Jahr Lehrer sein, aber Sie werden nicht enden als seelenblindes Schulmeisterchen in einem Krachen des Emmentals. Ich spreche offen mit Ihnen, Begert: Mein Panidealismus will die Menschheit zu einem neuen Stern ihrer Entwicklung führen. Sein Ziel ist die Errettung aller schöpferischen Menschen vor den verheerenden Folgen geistiger Blindheit und Nivellierungssucht und die Vereinigung der Idealbedürfnisse in einem allseitigen, widerspruchsfreien Ideal.

Fuchs: In autobiografischen Notizen wird Fritz Jean Begert vierzig Jahre später, 1968, von sich in der dritten Peron redend, notieren: «Die Begegnung mit dem grossen Seelenforscher Rudolf Maria Holzapfel wurde Begert zum entscheidenden Erlebnis. Er findet in der panidealistischen Gedankenwelt die Befriedigung seiner tiefsten Sehnsüchte und eine umfassende weltanschauliche Orientierung, vor allem auch einen ihm ganz zusagenden religiösen Glauben.»

[Begert]/Holzapfel: Begert, Sie haben eine Mission! Verlieren Sie sich nicht im Chaos der Separatideale. Studieren Sie die Reformschulen in Deutschland, studieren Sie Paul Geheebs Odenwaldschule in Heppenheim, Rudolf Steiners Waldorf-Schule in Stuttgart, Peter Petersens Schulgemeinschaft an der Jenaer Universitäts-Übungsschule. Und studieren Sie mein Panideal. Werden Sie wirklicher Pädagoge, Begert. Die deutschen Reformschulen geben Ihnen die Mittel in die Hand, das Panideal den Zweck: die von der Allsehnsucht geleitete menschheitserhebende Tat!

Fuchs: Am 30. April 1927 erhält Fritz Jean Begert das Lehrerpatent. Wie alle Junglehrer damals ist er zuerst arbeitslos, schlägt sich mit Stellvertretungen durchs Leben, zuerst im noblen Erziehungsinstitut Grünau in Wabern, später in Inkwil, für Simon Gfeller drei Monate auf der Egg ob Grünenmatt, in Oberstocken bei Amsoldingen, in Oberhofen, in Schwanden ob Sigriswil, in der Erziehungsanstalt Bächtelen bei Bern. Danach wird er Privatlehrer in St. Moritz und bis September 1931 in Oerlikon bei Zürich; Monatslohn 10 Franken. Weiter: Dürrenast/Thun, Biel, Ins, wieder Thun, Ursenbach. Auf Frühling 1934 erhält er in Dürrenast seine erste feste Lehrerstelle. Soviel zu Begerts frühen Jahren.

(Fuchs geht an den Tisch zurück und setzt sich an seinen Platz.)

[Begert]/Holzapfel: Erfinden Sie die Schule neu, Begert! Werden Sie Diener einer differenzierenden, seelenbereichernden Menschheitsentwicklung. Dienen Sie als Geniefinder der Schule, die mir vorschwebt, meiner Akademie der Ausnahmen. Dienen Sie der panidealistischen Erziehung. Ach, Begert! Wie deutlich sehe ich vor meiner Seele diesen wundervollen, heiligen Kranz von grösseren und kleineren Gärten, aus deren Baumgruppen ernste, edle Bauten schimmern. Wie klar sehe ich die Dichter, Musiker, Maler, die Bildhauer, Baumeister und Menschheitskünstler, die, durch Erfahrung, Forschung, Phantasie und umfassende Kenntnis menschlicher Arbeitsgebiete zur Gestaltung des neuschaffenden Geistes gedrängt, in meiner Akademie völlig neue, vorbildliche Schöpferseelen in ihren Kunstwerken hervorzaubern…

(Während [Begert]/Holzapfel spricht, bemerkt er, dass sein Gegenüber verschwunden ist. Zunehmend irritiert kehrt er schliesslich ebenfalls an den Tisch zurück. – Lichtwechsel: Café Rudolf-Licht)

3. Szene

Fuchs: (liest, direkt an [Begert]/Holzapfels letzte Worte anschliessend) «3. Jahresrechnung. Der Kassier berichtet über die Jahresrechnung. Die Belege sind lückenlos vorhanden, jedoch hat es der Kassier bisher versäumt, das Ganze im Kassenbuch ins Reine zu schreiben. Der Kassier, der mit Eingängen von etwa 200 Franken rechnete, wurde durch höhere Beiträge einzelner Mitglieder überrascht. Herr Begert sagt, dass der Kassier nicht zu skeptisch sein und sich, nicht zuletzt der psychologischen Wirkung wegen, optimistisch geben sollte.»

Begert: Sehen Sie, Fuchs, für mich war Holzapfel eben nicht der heillose Schwärmer, den Sie in ihm sehen wollen. Wie der verlorene Sohn kam ich damals an der Elfenaugasse in Muri in Holzapfels Arbeitszimmer; ich kam nach Hause. Plötzlich war da eine Flamme, der ich Trabant sein konnte; eine Mission, die mir auferlegt wurde; ein Weg, der mir meine Zukunft wies. Verstehen Sie das?

Fuchs: Ja, Herr Begert, ich verstehe. Aber wir sind ein wenig von Thema abgekommen…

Begert: Wir sind vom Thema abgekommen! (Bricht in ein grosses, sonores Gelächter aus. Gleichzeitig betritt die Serviertochter mit den Getränken den Raum, serviert.)

Guerini-Zurbuchen: Entschuldigen Sie, ich bin aufgehalten worden, Herr Begert.

Begert: Aber bitte. – Sie kennen meinen Namen?

Guerini-Zurbuchen: Nun ja, er steht auf der Saalreservation. Aber auch sonst – Ihr Lachen vergisst man nicht, Herr Begert.

Begert: Mein Lachen?

Guerini-Zurbuchen: Wie in Habkern. Es ist noch genau so, wie damals in Habkern in Ihrer Lombachschule.

Begert: In meiner Lombachschule? Sie kennen meine Lombachschule?

Guerini-Zurbuchen: Ich war das Trixli, Trixli Zurbuchen aus dem Dorf.

Begert: Die Lombachschülerin Beatrice Zurbuchen! Aber ja, ich erinnere mich! Trixli Zurbuchen, die einzige Einheimische, die damals zu uns in die Schule kommen durfte. Fuchs, die Wege der Pädagogik sind unergründlich! War nicht die Lombachschule die schönste Frucht unserer Institutsgemeinde?

Fuchs: Ja, aber die Lombachschule, das war 1944/45, Herr Begert.

Guerini-Zurbuchen: Anfang Neujahr haben Sie Ihre Privatschule geschlossen und ich musste zurück in die Dorfschule. Man hat mich ausgelacht. Das könne ja nicht gut kommen, wenn man bei Spinnern zur Schule gehe. So hat mich damals der Dorfschulmeister wieder empfangen.

Begert: Ich erinnere mich: Man war gegen mich, auch in Habkern. Aber keine Trübsal! Wie schön ist das, plötzlich steht eine wohlgeratene Lombachschülerin vor uns und selbst der Zweifler Fuchs muss zugeben: Unsere Arbeit wirkt; sie wirkt im Stillen fort bis heute. Fuchs, jetzt wollen wir aber zur Feier des Tages doch etwas Kleines essen. Fräulein Zurbuchen –

Guerini-Zurbuchen: Frau, ich heisse jetzt Guerini. Guerini-Zurbuchen, Herr Begert. Die Karte?

Begert: Frau Guerini – nein, keine Karte. Eine Platte mit Beinschinken und Brot, wenn Sie so gut sein wollen.

Guerini-Zurbuchen: Beinschinken und Brot, gern, Herr Begert. (ab)

Begert: Eine Lombachschülerin! – Wo befinden wir uns, Fuchs?

Fuchs: Immer noch beim Protokoll. Ich hab’s gleich.

Begert: Dann fahren Sie fort, bitte.

Fuchs: (liest) «4. Festsetzung des Jahresbeitrags. Der Jahresbeitrag für 1972 wird wie bisher auf 10 Franken angesetzt. 5. Wahlen. Herr Begert wünscht, dass die Generalversammlung hier abgeschlossen werde; Neuwahlen stünden keine an und der Vorstand verbleibe in der bisherigen Zusammensetzung. Abschliessend macht Herr Begert die Anregung, dass nächstes Jahr das 30jährige Bestehen der Institutsgemeinde würdig gefeiert werden sollte»…

Begert: …daraus ist dann leider auch nichts geworden, wenn man nicht alles selber…

Fuchs: (liest) «Um 17 Uhr 30 wird die Generalversammlung abgeschlossen.» Soweit das Protokoll.

Begert: In Ordnung. – Traktandum 2?

Fuchs: Das wäre Ihr Jahresbericht, aber in Anbetracht der Tatsache, dass wir hier weiterhin allein…

Begert: Sie haben recht, Fuchs, es ist wirklich schade, dass uns unsere Vereinsmitglieder heute im Stich lassen. Aber immerhin will ich doch sagen, dass ich trotz meiner angeschlagenen Gesundheit auch in diesem Jahr wieder jede Gelegenheit genutzt habe, um auf Holzapfels Lehre im Allgemeinen und auf meine Pädagogik im Besonderen hinzuweisen. Hervorheben möchte ich den Besuch des Radios. Zum Schluss des Gesprächs sagte der Journalist, ich würde hier auf jeden Fall einmal ein Denkmal bekommen. Ich habe ihm geantwortet, dass ich es lieber dort möchte, wo ich herkomme, auf der Dampfschiffländte von Hilterfingen (lacht).

Fuchs: Ich befürchte, Sie werden kein Denkmal bekommen, Herr Begert. Es hätte ja nicht gerade eine derart trostlose Generalversammlung gebraucht, um uns zu zeigen, dass die Institutsgemeinde gescheitert ist.

Begert: Gescheitert! Was heisst denn gescheitert, Fuchs!

Fuchs: Gescheitert, im Gegensatz zum Beispiel zu den Anthroposophen…

Begert: …ach, die Anthroposophen!…

Fuchs: …die eben im Bernbiet nicht gescheitert sind. 1942, als die Institutsgemeinde gegründet worden ist mit dem Ziel, eine Privatschule auf panidealistischer Basis zu eröffnen, haben auch die Anthroposophen in Bern die Gründung der ersten Steiner-Schule diskutiert. Als Sie nach Habkern gingen, im Juli 1944, um die Lombachschule zu eröffnen, arbeitete in Bern der Anthroposoph Hans Jaggi an der Eröffnung seines Pilotprojekts, einer »Klasse für seelenpflegebedürftige Kinder», wie er es nannte. Diese Parallelität der Ereignisse ist doch verblüffend.

Begert: Ein Zufall. Wir Panidealisten haben nie etwas mit den Anthroposophen zu tun gehabt.

Fuchs: Ein Zufall? Stimmt es denn nicht, dass Sie am Oberseminar auf eine regelrechte Kaderschmiede für anthroposophische Lehrer gestossen sind?

Begert: Es stimmt, dass es da einige Schulkollegen gab, die unter dem Einfluss des Religionslehrers standen.

Fuchs: Aber Sie waren doch von Eymann auch beeindruckt.

Begert: Und? Fritz Eymann war eine Erscheinung, eine Persönlichkeit, ein brillanter Lehrer! Fuchs, Sie haben ja keine Ahnung. Eymann war damals noch Pfarrer im Eggiwil, dazu Religionslehrer am Oberseminar. Seit er im April 1924 in Bern Rudolf Steiner über anthroposophische Pädagogik hatte sprechen hören, beschäftigte er sich intensiv mit Steiners Theorie. Im April 1926 ist er mein Lehrer geworden. Natürlich war ich beeindruckt. Wir waren alle beeindruckt. Aber ich gehöre nicht zu jenem halben Dutzend der Klasse, die sich dann später in den Dienst der Eymann-Bewegung gestellt haben. Ich wurde nie Anthroposoph. Ich habe kurz darauf Holzapfel kennengelernt.

Fuchs: Sie wurden Panidealist, ja. Ist es denn nicht so, dass Sie damit in Konkurrenz traten zu Ihren Seminarkollegen, die Eymann treu blieben?…

Begert: …Konkurrenz? Das wäre unter meinem und ihrem Niveau gewesen…

Fuchs: …dass es einen Konkurrenzkampf gab zwischen dem Panidealismus und der Anthroposophie, zwei Bewegungen mit ähnlichen Weltanschauungen in einer ganz und gar abweisenden Gesellschaft, die damals von Jahr zu Jahr mehr im Totstellreflex der geistigen Landesverteidigung erstarrt ist? Haben in dieser Situation nicht beide Bewegungen gleichermassen versucht, auf dem Umweg über reformpädagogische Privatschulprojekte öffentlich an Einfluss zu gewinnen? Sozusagen ein Podium zu schaffen für die Verkündigung ihrer hehren Lehren?

Begert: Ich höre Ironie, Fuchs – sind Sie so sicher, dass Neills antiautoritäre Erziehung weiterführt? Damals ging es in erster Linie um die Erneuerung des erstarrten öffentlichen Schulsystems, wir waren gegen Routine und schablonenhafte Gleichmacherei, gegen all die schrecklichen Schädigungen der menschlichen Individualität. Einverstanden, da gab es Parallelen zu Eymanns Jüngern. Aber unser Fundament war eben nicht Steiners dunkler christlicher Mystizismus, sondern das wissenschaftlich hergeleitete, klare Panideal Holzapfels. Wissen Sie überhaupt, dass Holzapfel Jude war? Nichts so sehr wie das antisemitische Nazitum hat damals die weitere Ausbreitung des Panidealismus verhindert.

Fuchs: Mag sein. Das behaupten Sie, seit ich Sie kenne. Aber für das Scheitern der Institutsgemeinde gab es noch weitere Gründe: 1945 führten Sie die Lombachschule schon seit mehreren Monaten, als Jaggi, der Anthroposoph, in Bern seine Hilfsschule eröffnete. Aber ein Jahr später war plötzlich alles anders: Während Jaggi sein Pilotprojekt der unterdessen entstandenen ersten Berner Steiner-Schule angliederte, machten Sie die Lombachschule zu und eröffneten seither keine Holzapfel-Schule mehr.

Begert: Wir haben es versucht.

Fuchs: Ja, seit bald dreissig Jahren erfolglos. Obschon es unseren Verein, der genau diese Institutsgründung zum Zweck hat, bis auf den heutigen Tag gibt…

Begert: (ironisch)  …Immerhin!…

Fuchs: …während sich, mit anderen Worten, die Steiner-Schulen und mit ihnen die Anthroposophie gesellschaftlich etabliert haben, ist der Panidealismus heute vergessen…

Begert: …Meinen Sie?…

Fuchs: …und wir, wir machen zu zweit eine Generalversammlung. Was ich nicht begreife, Herr Begert: Warum haben Sie Ihre Chance nicht genutzt?

Begert: Begert als Versager, meinen Sie das, Fuchs?

[abgebrochen]

(04.-28.01.1994; 07.02.1997; 14.09.2005; 15, 16., 29.05.+11.06.2018)

 

Nachtrag 2

Wie das Stück weitergegangen wäre? – Ich weiss es nicht mehr, und in meinem elektronischen Archiv finde ich keinen Hinweis. Das Papierarchiv des NONkONFORM-Projekts, zu dem alles Begert Betreffende gehört, liegt seit mehr als fünfzehn Jahren im Schweizerischen Literaturarchiv. Darin gibt es unter der Signatur SLA-Lerch-1-10-6 tatsächlich eine Mappe mit dem Titel «Die Generalversammlung».

Nach einem Spaziergang durchs Quartier ist klar: Darin liegt auch ein handschriftliches Blatt zum Stückverlauf, das ich allerdings selber nicht mehr genau verstehe. Immerhin gibt es oben rechts auf dem Blatt zwei Hinweise, wie ich mir damals den Schluss vorstellt habe: Der verblendete Begert sollte «via Serviertochter» den Saal für die 28. Generalversammlung in einem Jahr reservieren lassen und dann wohl relativ unvermittelt aufbrechen wollen, weil er an diesem Abend noch nach Hause, also nach Romainmôtier, zurückkehren wollte. Offenbar sollte Fuchs abschliessend fragen: «Sie fahren über Lausanne?» Und Begert sollte antworten: «Ja, über Lausanne, das ist am schnellsten.» Laut heutigem Fahrplan stimmt das allerdings nicht: Zwar führt die späteste Verbindung abends von Bern tatsächlich via Lausanne nach Croy-Romainmôtier, aber jene via Neuchâtel, Yverdon und Cossonay-Panthalaz ist um eine Viertelstunde schneller. Wenn das schon 1973 so war, müsste Begert am Schluss antworten: «Ja, über Lausanne, der letzte Zug Richtung Neuenburg ist bereits gefahren.» Oder so.

(30.05.+11.06.2018)

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