Das Problem mit dem Glauben

Die Frage ist nicht, was jemand glaubt, denn Glaubensinhalte stehen nie zur Diskussion. Wer sie nicht glaubt, darf sie getrost ignorieren. Interessant dagegen ist die Frage, wie man leben könnte, ohne zu glauben. Denn nichts zu glauben ist nicht einfach: Gläubig sind ja nicht nur die, die das Bedürfnis haben, sich eine Welt nicht von dieser Welt einzubilden. Gläubig muss man auch sein, wenn man meint, die Welt, wie sie ist, erkennen und verstehen zu können.

Wer mit durchaus nachvollziehbaren Gründen einen bestimmten Grad an Erkenntnisskepsis überschreitet, muss daran glauben, dass sich die Welt erst jenseits des Wahrnehmbaren wahrhaftig manifestiert.

Wer jedoch, mit ebenso nachvollziehbaren Gründen, erkenntnisoptimistisch annimmt, was über die Sinnesorgane wahrzunehmen sei, sei ganz zu erkennen und zu verstehen, muss doch daran glauben, dass diese Annahme richtig sei.

So gesehen gibt es keine Möglichkeit, nicht zu glauben: Entweder man glaubt, dass man weiss. Oder man weiss, dass man glaubt.

Wenn du aber meinst, nur weil du dich – mit durchaus nachvollziehbaren Gründen – zum Atheismus bekennst, hättest du für dich oder gar grundsätzlich das Problem mit dem Glauben gelöst, dann trage Sorge zu deinem Glauben und bleib standhaft, wenn dich einer wie ich ungläubig anlächelt.

(3.4.1999; 24.+30.01.2018)

v11.5