Kunst als Ideologie des Nutzlosen

Falsches Bewusstsein entsteht dadurch, dass es von der Herrschaft – vermittelt durch die gesellschaftlichen Bedingungen – produziert und im Einzelnen als falsches unbewusst gehalten wird.

Dagegen wird der Schein des Kunstprodukts nicht nur bewusst konstruiert, sondern auch bewusst rezipiert.

Dem gut gemachten, ethisch fundierten Kunstprodukt geht es vom Anspruch her um das Bewusstsein eines denkbaren Anderen – der Herrschaft dagegen um die Verewigung der Einsicht in das, was ist (also herrscht), als «richtiges» Bewusstsein.

Das Kunstprodukt schafft ideologisch fortwährend nutzloses, utopisches Bewusstsein in der Hoffnung, dass dieses sich zum richtigen entfalte und so vom Schein zum Sein gelange – die Ideologie der Herrschaft verteidigt das Sein des in ihrem Sinn nützlichen Bewusstseins, indem sie ihm den Schein des einzig «richtigen» zu geben versucht.

Während aus kritischer Sicht das falsche Bewusstsein stets die Ideologie des Nützlichen verteidigt, verteidigt das Kunstprodukt die Ideologie des Nutzlosen als Bewusstsein, das zum richtigen werden möge. Keine Kunst kann richtiges Bewusstsein sein. Aber engagierte Kunstschaffende leisten immer wieder einen Beitrag dazu, dass das Wissen um ein richtigeres Bewusstsein nicht verloren geht, das auch stets eine Praxis des gerechten Nutzens für alle mit einschliesst.

(5.5.1989, 4.7.1997; 16.+21.11.2017; 04.07.2018)

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