Das Problem mit den Redundanzen

Mein Gedächtnis war nie das beste. Immerhin habe ich den Eindruck, dass es bis heute selektiv präzis funktioniert. Insbesondere schien mir bisher, was meine Texte betreffe, könne ich mich auf meine Erinnerungsfähigkeit verlassen.

Bei der Arbeit am «Stückwerk» mache ich aber bereits jetzt die Beobachtung, dass ich die Übersicht verliere. Wenn ich ein zu bearbeitendes Werkstück am Bildschirm öffne, an das ich seit vielen Jahren keinen Gedanken mehr verschwendet habe, und es lese, ist nun schon mehrmals folgendes passiert: Mir gehen spontan Gegenargumente oder erweiternde Aspekte durch den Kopf, die einen Nachtrag interessant machen würden. Gleich darauf denkt es mir: Aber habe ich etwas in dieser Art nicht letzthin irgendwo schon geschrieben? Vor ein, zwei Jahren, in einer Monatskolumne? Oder gar eben letzthin, in einem Nachtrag zu einem anderen Werkstück? Anschliessend beginne ich mit Suchbefehlen den Computer, die elektronische Textwerkstatt und die «Stückwerk»-Website zu durchforsten. Ich bin schon fündig geworden.

Da zeigt sich ein Dilemma, das mit dem Fortgang der Arbeit am «Stückwerk» grösser werden wird: Ich werde Redundanzen immer weniger ausschliessen können.

Zwar spricht zu meinen Gunsten: Das «Stückwerk»-Konvolut als Ganzes ist insofern ein ehrliches Dokument, als es Arbeitsmaterial eines Autodidakten zeigt, der sich um gewisse Fragen mehrmals bemüht hat, weil ihn seine Antworten nicht befriedigten, beim neuen Versuch aber nicht immer zu neuen Erkenntnissen gelangt ist. Insofern gibt es Werkstücke, die sich wie Variationen von anderen lesen. Diese Variationen dürfen sein, müssen sogar ein Stück weit sein, um das Prozessuale des Denkens und das Relative von Einsichten zu spiegeln, die mich im Moment überzeugt haben.

Das wirkliche Problem ist, dass ich wegen des Bemühens um die Flächigkeit der Textdarstellung zunehmend Schwierigkeiten haben werde, den Gesamtüberblick zu behalten.

Mit mehreren Massnahmen habe ich bisher versucht, den Eindruck von Flächigkeit zu erreichen: Vorab durch das erwähnte mehrmalige Ansetzen und Variieren von Themen, dann durch das Nichtvorhandensein narrativer Linearität, dann durch die nur innerhalb eines Werkstücks vorhandene chronologische Linearität; dann durch die nur ungefähre Zuordnung der Werkstücke zu Mäandern (nicht wenige Stücke könnten gewiss auch in einen anderen Zusammenhang des Ganzen gestellt werden) – und schliesslich durch die Installierung des Zufallsgenerators, der das Beliebige jeder Werkstück-Reihenfolge zum Ordnungsprinzip macht.

Zwar ergibt sich aus meinem Bemühen zur Flächigkeit auch ein gewisser Spielraum für zusätzliche Redundanz. Mehr als in der linearen Textanordnung für den Buchdruck muss hier jedes einzelne Werkstück die Wirkung eines Abgeschlossenen erzeugen, weil ich nicht davon ausgehen kann, dass nach einem konkreten Werkstück jenes gelesen wird, das meiner Meinung nach am ehesten folgen könnte (die von mir vorgeschlagene Reihenfolge ergibt sich aus dem interaktiven Inhaltsverzeichnis auf der Hauptseite). Wenn ich einen Bezug zwischen zwei Werkstücken explizit machen will, kann ich einen Link setzen. Ansonsten muss ich jedes Werkstück so abschliessend formulieren, dass danach ein beliebiges anderes anschliessen kann.

Trotz diesem Spielraum wird das Problem mit den ungewollten Redundanzen voraussichtlich zunehmen. Es wird zu Verdoppelungen kommen, die auch mit gutem Willen nicht mehr als Variation gelesen werden können. Falls du dich an einer solchen offensichtlichen Redundanz störst, bin ich um einen Hinweis froh (info@fredi-lerch.ch). Ich werde dann streichen oder die beiden Stellen zu Variationen des Themas auszudifferenzieren versuchen.

(15.09.2017)

v11.5