Das Finanzierungsgesuch

Bern, 3. Januar 2017

Projekt «Stückwerk» – Antrag für einen Werkbeitrag

Sehr geehrte Mitglieder der Literarischen Kommission der Stadt Bern

ich stelle den Antrag, dass mir die Literarische Kommission der Stadt Bern einen Werkbeitrag zuerkenne, der mir ermöglicht, ein grosses Schreibprojekt zu einem guten Ende zu bringen. Es handelt sich um eine Textsammlung von Aphorismen, Notizen und Kurzessays aus den Jahren 1989-2009, formal vergleichbar mit Ludwig Hohls Notizen-Werk, inhaltlich die Selbstverständigungsarbeit eines Journalisten und Redaktors (der WoZ, bis 2001), der sich mit kultur-, sozial- und gesellschaftspolitischen Fragen konfrontiert, sich fordert und überfordert und dabei oft an seine Grenzen stösst.

Was zurzeit vorliegt, ist ein Konvolut von gut einer Million Zeichen (ungefähr 500 Druckseiten), betitelt mit «Stückwerk», bestehend aus rund 320 «Werkstücken», die provisorisch zu 22 «Mäandern» zusammengestellt sind. Diese «Mäander» sind keine kausal argumentierten Kapitel, sondern zu inhaltlichen Feldern konstellierte Collagen mit jeweils einem Oberthema.

Der jetzt anstehende, aus meiner Sicht abschliessende Arbeitsgang umfasst folgende Schritte:

  1. Das ganze Material soll redaktionell/sprachlich geschliffen werden.
  2. Zentral am Arbeitsgang ist folgendes: Um die historische Bedingtheit jeder Erkenntnis herauszuarbeiten, verbiete ich mir, nicht mehr Befriedigendes zu streichen und neu zu formulieren. Was nicht befriedigt, muss in Form von «Nachträgen» neu auf den Punkt geschrieben werden, so dass Irrtümer, Unschärfen, Fehlüberlegungen nachvollziehbar bleiben. Solche «Nachträge» sind bereits in der Zeit bis 2009 immer wieder entstanden, so dass ich diese Arbeit nicht neu erfinden, sondern wo immer nötig weiterführen will. Auch Nachträge zu Nachträgen müssen möglich sein.
  3. Aus folgenden Gründen setze ich mir von vornherein die Online-Publikation zum Ziel:
  • Die Arbeit an den «Nachträgen» soll nicht dadurch behindert werden, dass mit der Option auf ein Buch wegen der bereits rund 500 vorliegenden Textseiten eigentlich schon gar kein Platz mehr zur Verfügung steht. Wie lang das «Stückwerk» wird, soll offenbleiben. Präsentation und gute Lesbarkeit im Netz sind Probleme, die ich lösen will.
  • Bekanntlich war Ludwig Hohl mit dem Notizenwerk kommerziell erfolglos und musste 1954 den Artemis-Verlag gerichtlich zur Veröffentlichung des zweiten Teils der Arbeit zwingen. Vor dem Hintergrund der schwierigen kommerziellen Lage der heutigen Verlage schätze ich den Druck des vorgeschlagenen Projekts von vornherein als chancenlos ein.
  • Die Online-Publikation bietet aber aus meiner Sicht auch Chancen, die bei einem Print-Projekt von vornherein wegfallen würden. Insbesondere sind in meiner seit 2012 entstandenen elektronischen Textwerkstatt www.fredi-lerch.ch (mit bald einmal 1000 Einzeltexten) Querbezüge durch Verlinkungen möglich. Spannend ist das, weil ich das Websiteprojekt auch unter der programmatischen Formel der «Selbstrekonstruktion als Text» betreibe. Damit stellen sich Fragen nach «Autor» und «Werk» neu, weil ein unübersehbares Textkonvolut labyrinthisch verästelt quasi gleichzeitig greifbar wird. Ich bin überzeugt, dass die Website, obschon sie (bisher) zum grossen Teil aus «journalistischen» Texten besteht, ein genuin «literarisches» Projekt ist.
  • Ein weiterer Vorteil: Das «Stückwerk» soll Ende Juni 2018 nicht nur öffentlich zugänglich sein, seine Entstehung kann darüber hinaus im Netz laufend mitverfolgt werden.
  • Übrigens ist das «Baufeld» für das «Stückwerk» auf meiner Website bereits zu besichtigen (auch zu finden via linke Spalte: Literarisches / Notizen / Stückwerk). Dort einsehbar ist im Übrigen ein erster Versuch in Richtung des «Stückwerks»: «Mezzo del cammin» (1994).

Ich rechne damit, dass dieser abschliessende Arbeitsgang ein Jahr in Anspruch nehmen wird (geplant ist die Zeit von Juli 2017 bis Juni 2018). Bei einem Jahresbudget von 48000.- (= Gesamteinkommen) rechne ich bei Einnahmen für journalistische und redaktionelle Mitarbeit bei Journal B und aus freien publizistischen Aufträgen mit 24000.- Um ein Jahr lang (mindestens) zu 50 Prozent kontinuierlich am «Stückwerk» arbeiten zu können, brauche ich demnach noch einmal 24000.-. Um diesen Betrag bitte ich die Literarische Kommission.

Ich bedanke mich für die wohlwollende Prüfung meines Gesuchs.

Mit freundlichen Grüssen

fredi lerch

PS. Als Leseprobe lege ich das geplante Vorwort sowie die ersten Seiten des Mäanders 1 («Ich – Reporter») bei.

 

Sachdienlich variiert ging dieser Brief in den folgenden Tagen auch an das Amt für Kulturelles des Kantons Bern und Anfang April 2017 an die Burgergemeinde Bern. Stadt und Kanton Bern haben das Projekt unterdessen mit je 6000 Franken unterstützt, die Burgergemeinde hat 2000 Franken vorderhand zugesichert. (04.08.2017)

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