Preisträger Meienberg

Ex-aequo hat Niklaus Meienberg einen zweiten Preis des Zürcher Pressevereins zugesprochen erhalten und ihn am 28. April 1989 angenommen. Zwar ist er zur Preisverleihung nicht selber erschienen; zwei WoZ-Kollegen, die für ihn hingingen, wurden während des Versuchs, eine polemische Grussbotschaft des prämierten Autors zu verlesen, handgreiflich aus dem Saal verwiesen.[1]

Diese Grussbotschaft ist ein Dokument von Meienbergs chronisch gewordener narzisstischer Larmoyanz, die das Unrecht der Welt nur noch wahrnimmt, insofern sie es in der eigenen für tragisch gehaltenen Grösse fokussiert. Immer häufiger schreibt er Passagen, die ironisch-bös sein wollen und immer weniger das Trötzeln und Schmollen des sich zurückgestellt Fühlenden verhehlen: «Nach mehr als zwanzigjähriger journalistischer Tätigkeit und acht Büchern mit journalistisch-literarischen Arbeiten ein zweiter Preis! Welch unverhofftes, strahlendes Glück! Ich werde danach trachten, meinen Stil sowohl als auch meine Inhälte zu verbessern, um irgendwann dann doch noch den zweiten Preis zu kriegen.»[2]

Item, Meienberg hat den Preis annehmen lassen und die WoZ hat nun die vollständige Liste der Sponsoren abgedruckt, von Asea Brown Boveri über Blocher, Farner, Hayek bis zu Rey, Stöhlker, Tages-Anzeiger und Tettamanti.[3] Die Preissumme für Meienberg beträgt 2000 Franken.

Anders: Führende Vertreter des Kapitals und der Ideologieproduktion verabreichen Meienberg ein Trinkgeld, vermutlich um den Genuss zu haben, ihn hinter einem Team des Tages-Anzeigers, der ihn nach wie vor mit Schreibverbot belegt, prämiert und zurückgestellt zu sehen. Indem er das Geld annimmt, spielt er die Farce auch dann mit, wenn er bei der Preisverleihung nicht erscheint. Gerade dadurch markiert er ein weiteres Mal die ihm bürgerlicherseits seit Jahren zugedachte Rolle des Hofnarren: Er lässt sich als polternde Witzfigur vorführen, deren lärmende Sprachkapriolen den hohen Herren zum Gaudi gereichen – schon gilt es in jenen Kreisen als kleine Ehre, von Meienberg einmal so richtig in die Pfanne gehauen zu werden –, bevor sie unter sich zum Aperitif schreiten und sich wieder dem Ernst des Lebens, ihren Geschäften, zuwenden.

Meienberg hätte erklären können: «Es ehrt mich, dass ich den reichsten und mächtigsten Leuten dieses Landes auch nach zwanzig Jahren Praxis nur 2000 Franken wert bin. Das verweist – scheint mir – auf eine gewisse politische Bedeutung meiner Arbeit. Allerdings: Ich brauche Euer Geld nicht. Ich lebe von meiner Arbeit, nicht von Euren Almosen.» Aber die Unmöglichkeit von Meienbergs Position beginnt eben weiter vorne: Warum nimmt er überhaupt – übrigens seit Jahren – als linker Journalist an einem solch idiotischen, das plumpste kapitalistische Konkurrenzdenken verewigenden Preisausschreiben teil und legitimiert damit die dort herrschenden Spielregeln mit seinem Namen?

Meienbergs Ehrgeiz scheint zu sein, ausgerechnet jenen Aufklärung zukommen lassen zu wollen, die aufgrund ihrer – nicht durch noch so vernünftige Wörterreihen wegschiebbaren – Interessenlagen nicht einmal auf dem Weg zur Guillotine im Ernst mehr als ein müdes Lächeln für seine Argumente hätten. Oder bettelt der arme Meienberg ganz einfach nun um die Absolution jener, die über die herrschenden Informationskanäle verfügen und deshalb einzig in der Lage wären, ihn zum Max Frisch der neunziger Jahre zu machen?

[1] vgl. Hausmitteilung, in: WoZ, Nr. 18/1989, S. 2. – Meienberg erhielt den Preis für den Artikel «Vom Ozon und seinen Verwaltern» (WoZ Nr. 34/1988).

[2] vgl. Niklaus Meienberg: Unaushaltbare Freude. Eine verhinderte Grussbotschaft betr. Journalistenpreis, in: WoZ, Nr. 18/1989, S. 15.

[3] vgl. Hausmitteilung, a.a.O.

(06.+09.05.1989; 04.07.1997; 02.+09.+16.11.2017; 29.06.2018)

 

Nachtrag

Vom Ressentiment abgesehen (vgl. den Nachtrag hierzu), bleibt das Werkstück interessant, weil es eine bemerkenswerte Inkonsequenz in meiner eigenen Berufsbiografie belegt:

Neun Jahre später, 1998, wurde mir selber für die Reportage über den jungen Algerier Hichem Barhoumi der Journalistenpreis des Zürcher Pressevereins zugesprochen – und auch ich habe ihn angenommen. Vermutlich weil ich – im Gegensatz zu Meienberg – trotz WoZ-Zugehörigkeit ein politisch ziemlich unbeschriebenes Blatt war, konnte sich die Jury mir gegenüber freigiebig zeigen. Sie dotierte meinen Preis mit 9000 Franken. Ich gab das Geld vollumfänglich weiter – zu einem Drittel an die Zürcher Menschenrechtsgruppe «augenauf», die mir die Geschichte vorrecherchiert und ihre Unterlagen zur Verfügung gestellt hatte; zu einem Drittel an den bedauernswerten Barhoumi, der vom Kanton Zürich nach einem hanebüchenen politischen Prozess mit grosser Wahrscheinlichkeit zu Unrecht wegen Mordes zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt worden war (er kaufte sich mit dem Preisgeld einen PC für sein Leben im Regenstorfer Gefängnis Böschwies); das letzte Drittel des Geldes ging an den WoZ-Recherchierfonds.

Mit dieser demonstrativen Grosszügigkeit entging ich zwar dem Vorwurf, mich am Schicksal eines Unglücklichen bereichern zu wollen, nicht aber meiner eigenen Meienberg-Kritik im vorliegenden Werkstück: weder jener, das schmutzige Geld von Leuten wie Blocher, Farner, Hayek und Konsorten angenommen zu haben noch jener, «das plumpste kapitalistische Konkurrenzdenken verewigende Preisausschreiben» durch das Mitmachen zu legitimieren.

Wer meinen Text damals eingereicht hat? Soweit ich mich erinnere, sendeten zu jener Zeit KollegInnen der WoZ-Administration geeignete Beiträge routinemässig an die Jury des Zürcher Pressevereins. Ich gehe davon aus – ich erinnere mich vage an ein Gespräch mit dem Kollegen jüfi –, dass mich die Zuständigen über ihr Vorgehen informiert haben. Offensichtlich habe ich nicht «Nein» gesagt.

(12.01.2008; 02.+09.11.2017; 29.06.2018)

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