Am Ende der Moderne

Heute wird im «Rendez-vous am Mittag» auf Radio DRS 1 ein Beitrag über aktuelle ökologische Probleme vom Moderator mit der Frage eingeleitet: «Mit wieviel Risiko muss eine moderne Gesellschaft eigentlich leben?»

Mit der gleichen Frage hätte ein Leitartikler vor zweiundachtzig Jahren einen Bericht über den Untergang der «Titanic» kommentiert haben können. Die Frage, die dieser Leitartikler noch nicht hätte stellen können, lautet umgekehrt: Wieviel Moderne kann sich die realexistierende Risikogesellschaft eigentlich noch leisten?

(25.3.1994, 22.3.2005)

 

Nachtrag

Der Begriff «Risikogesellschaft» des Soziologen Ulrich Beck (1944-2015) wird bis heute in hohen theoretischen Ehren gehalten, weil er «die gedankliche Mitte für eine produktive und bis heute anschlussfähige Theoriebildung» sei.[1] Beck wollte mit diesem Begriff aber nicht jenen der Moderne ersetzen, wie meine Gegenüberstellung nahelegen könnte. Vielmehr sah er die «Risikogesellschaft» «auf dem Weg in eine andere Moderne». Den Begriff der «Postmoderne» verwarf er: «Bei der ‘Postmoderne beginnt bereits alles zu verschwimmen. Im Begriffsdunkel der Nachaufklärung sagen sich alle Katzen gute Nacht.»[2] Zwischen 1997 und 2002 gab er dann im Suhrkamp Verlag die «Edition Zweite Moderne» heraus, deren Zweck es aus seiner Sicht war, «eine öffentliche Kontroverse darüber an[zu]zetteln, wie die Orthodoxie der Ersten Moderne gebrochen werden» könne – einer Moderne, in der «die Nationalökonomien in den Sog der ‘Globalisierung’ geraten» seien.[3]

Der Soziologe Oliver Nachwey bezog sich 2016, in seinem Buch «Die Abstiegsgesellschaft», auch auf Beck[4] und sprach von einer «sozialen Moderne», die ab den 1970er Jahren von einer «regressiven Moderne» abgelöst worden sei. Ihr hat er in seinem Buch den Hauptteil seiner Ausführungen gewidmet in der utopischen Hoffnung, Überlegungen anzustossen, «wie auf den Prozess der regressiven Modernisierung eine solidarische Moderne folgen könnte».[5]

Abgesehen davon war 1994, als ich das Werkstück schrieb, «Das Ende der Moderne» sehr wohl im Gespräch. 1988 hatte der Philosoph Gianni Vattimo ein Buch mit dem Titel «La fine della modernità» herausgebracht, das 1990 unter dem Titel «Das Ende der Moderne» auf Deutsch erschien. Zumindest dem Titel werde ich Anfang der 1990er Jahre begegnet sein – gelesen habe ich es nicht.

[1] Wikipedia-Eintrag zu Ulrich Beck (konsultiert am 23.10.2017).

[2] Ulrich Beck: Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne. Frankfurt am Main (Suhrkamp) 1986, S. 12.

[3] vgl. Anthony Giddens: Jenseits von Links und Rechts. Edition Zweite Moderne. Frankfurt am Main (Suhrkamp) 1997, S. [340].

[4] Oliver Nachtwey: Die Abstiegsgesellschaft. Berlin (Suhrkamp) 2016, S. 72f.

[5] Nachtwey, a.a.O., S. 233.

(31.10.2017; 27.06.2018)

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