Die Frage nach dem Eigenen in der Sprache (oder müsste ich sagen: an der Sprache?) zielt auch auf die Entfremdung der Sprache vom sprechenden Individuum. Umberto Eco fragt nach der «Funktion der Avantgarde» und sagt, sie sei «diejenige Kunst, die, um die Welt zu erfassen, zu ihr hinabsteigt» und deshalb, «um sie zu beschreiben, dieselbe entfremdete Sprache verwendet, in der diese Welt sich ausdrückt»: «Indem sie aber diese Sprache transparent macht, sie als Form der Darstellung herausstellt, tut sie das uns Entfremdende von ihr ab und befähigt uns, sie zu demystifizieren. Das kann der Anfang des Handelns werden.»

Implizit geht Eco also davon aus, dass avantgardistische Kunst über eine nicht entfremdete, insofern eigene Sprache verfüge, aus Gründen einer Strategie mit aufklärerischer Perspektive jedoch die nicht-eigene, also entfremdete so spreche, dass das Eigene an ihr durch die Form der Darstellung um so sichtbarer werde. Anders: Eco geht davon aus, dass es (zumindest ex negativo) eine nicht-entfremdete Sprache gibt – nämlich jene der künstlerischen Avantgarde.

Eine solche Sprache kann ich mir je länger desto weniger vorstellen: Eine Sprache, die Denken und Wollen eines Individuums unverfälscht, unentfremdet, «eigen» wiedergeben würde, wäre eine vollständig hermetische, also weder gesamtgesellschaftlich noch im sozialen Mikrokosmos zur Kommunikation brauchbare Sprache.

Deshalb meine ich: Das Eigene und die Sprache als gesellschaftliche Konvention sind nicht in einer dialektischen Strategie der künstlerischen Avantgarde zu versöhnen, Eigenes und Sprache verhalten sich nicht einmal antagonistisch: Sie haben vielmehr nichts miteinander zu tun. Das Eigene liegt ausserhalb der Sprache, und die Sprache liegt ausserhalb des Eigenen. Die Sprache, mit der das Individuum in seinem sozialen Raum Laut gibt wie andere Tiere auch, ist typisch für seine Spezies, aber im übrigen uneigen. Das Ich als Eigenes ist stumm wie ein Stein.

[1] Umberto Eco: Im Labyrinth der Vernunft, Leipzig (Reclam) 1989, S. 178.

(11.10./21.10.1990; 21.11.1997; 15.09.2017)