Die List der Poesie

Vernünftig sprechen ist nur möglich, wenn klar definierte Begriffe logisch korrekt verknüpft werden. Darum hat die vernünftige Sprache eine starre Mechanik.

Das Elend des aufklärerischen Diskurses ist, dass man das in Sprache gesetzte bessere Argument akzeptieren soll trotz des Ärgers über das nicht selten penetrante Ächzen seiner teils ausgeleierten, teils eingerosteten Sprachscharniere.

Die List der Poesie ist es, die Mechanik der Vernunft vor die verwinkelten Spiegel der Metaphysik zu stellen und so mit Wörtern den vielgestaltigen Schein spontaner Welterkenntnis zu erzeugen.

Wenn die vernünftige Rede wie ein warmer Sommerregen daherrauscht und – bis zum Hagelwetter tags darauf – erspriessliches Wachstum verspricht, so funktioniert Poesie wie Wetterleuchten am Nachhimmel: Meistens ist es trostlos schwarz, bis plötzlich ein Blitz aufzuckt, der nichts verspricht, alles erleuchtet und schnell verlischt.

(23.08. + 13.09.1996; 14.09.2005; 10.10.2017; 17.06.2018)

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