Good News

Aus Anlass des Welttags der Medien, der alljährlich von der Katholischen Kirche ausgerufen wird, führt die Redaktion des «ZOOM tip» unter Medienschaffenden eine Umfrage durch: «Gibt es für gute Nachrichten einen Markt? Anders formuliert: Ist der Slogan ‘Only bad news are good news’ zum journalistischen Grundsatz geworden? Sind gute Nachrichten prinzipiell langweilig und für ein breites Publikum uninteressant? Was ist nötig, damit aus ‘gut gemeint’ auch ‘gut gemacht’ wird?»

Die Aufforderung an die WoZ, ein Statement beizusteuern, landet auf meinem Schreibtisch. Ich schreibe folgendes:

«Heutzutage hat alles einen Markt, auch die ‘gute Nachricht’. Allerdings muss man wissen, dass es zwei verschiedene Sorten solcher Nachrichten gibt, die einen sehr ungleich grossen Markt haben.

Es gibt einerseits die ‘gute Nachricht’, die moralisch Gutes zu transportieren vorgibt und synonym steht für eine möglichst widerspruchsfreie, politisch blinde Judihui-Publizistik, an der eigentlich vor allem interessiert, wer warum wie und mit welchen Interessen gemogelt hat, damit die Widersprüche nicht ins Bild kommen. Das ist jene zynische oder ‘gute gemeinte’ Boulevard- oder PR-Publizistik, die das Selbstverständliche leugnet: dass in jeder Nachricht moralisch Gutes und Schlechtes gleichermassen steckt. Solche ‘Good News’ haben einen grossen Markt, weil sie ihre LeserInnen in der Vermutung bestärken, dass Wahrheit und Dummheit in Wirklichkeit eben doch zusammengehen.

Nun ist aber jede journalistische Nachricht gemacht. Darum ist im journalistischen Sinn die ‘gute Nachricht’ immer ‘die gut gemachte Nachricht’. Das aber ist jene, die nach genauer Beobachtung mit dem Werkzeug der Kritik auf hervorragend gute Art die im beschriebenen Phänomen steckende öffentlichkeitsrelevante, das heisst gesellschaftspolitische Widersprüchlichkeit zur Darstellung bringt. Die im journalistischen Sinn ‘gute Nachricht’ hat nur einen kleinen Markt, weil sie die LeserInnen immer wieder neu darin verunsichert, wie die Wirklichkeit menschenfreundlich und gesellschaftspolitisch vernünftig zu denken sei.»

(06.03.1998; 23.08.2017; 05.06.2018)

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