Nachtrag zum 26. Dezember 1993

Es hatte leicht geschneit, die Grasbüschel waren knapp mit Schnee bedeckt. H. und ich beschlossen am Nachmittag, einen Spaziergang auf den Gurten zu machen und wählten von der Morillonstrasse her den schmalen Weg, der zwischen dem Ziegler-Spital und dem Geleise der Gürbetalbahn Richtung Wabern führt.

Als wir auf der Höhe des Frisching-Wegs auf die Kirchstrasse kommen, sehen wir weiter vorn, auf dem verschneiten Fahrweg, der unterhalb des Bahngeleises verläuft, ein Polizeiauto stehen. Zwei Polizisten reden dort mit zwei Fussgängern, der eine, im Trainingsanzug, jetzt gestikulierend. Gleich darauf sehe ich direkt neben dem talwärts liegenden Schienenstrang des einspurigen Geleises ein ausgebreitetes weisses Tuch. Dann einige Meter in unserer Richtung eine grüne Windjacke; zwischen den Schwellen im frischen Schnee eine etliche Meter lange rotschwarze Spur; wiederum etliche Meter weiter, oberhalb des oberen Schienenstrangs, ein einzelner Schuh, vielleicht auf halber Distanz dazwischen ein längliches, seilartiges, dunkelrotes Etwas, von dem ich erst viel später – als wir immer noch über das Gesehene redend längst die Strasse zum Gurtendorf hinaufgehen – begreife, dass es ein ausgerissener Muskelstrang aus dem Unterschenkel des Selbstmörders – oder war es eine Selbstmörderin? – sein musste und im weiter drüben liegenden Schuh vermutlich noch der Fuss gesteckt hatte.

(Eigentlich wollte ich diese Sache sofort aufschreiben. Jetzt ist es achteinhalb Monate gegangen, bis sie mir einmal eingefallen ist, wenn ich einen Schreibstift zur Hand hatte.)

(12.9.1994; 25.8.2005; 16.05.2018)

v11.5