Jogging am Sonntag

Um acht aus dem Haus. Die Sonne zwischen schwarzen Regenwolken wärmt. Die Strasse ist noch nass. Im abgegrasten Bord links der Schöneggtreppe liegt neben dunklen Scharrspuren mit weggestreckten Beinen und zurückgeworfenem Kopf dickbäuchig ein Schaf, wie tot. Hinter dem Restaurant «Schönau» ein Polizeiauto, ein zweites fährt eben vor, die aussteigenden Uniformierten werden von einer jüngeren Frau, die einen Schäferhund an der Leine führt, begrüsst. An der Strasse hinunter zum Schönausteg ist links der Drahtzaun niedergedrückt, im ungemähten Bord liegt ein grünes Frauenvelo.

Ich renne gemächlich den «Aare-Cher», vom Dählhölzli flussaufwärts zur Auguetbrücke. Vor dem Muribad sitzen auf dem Waldweg zwei Eichhörnchen und eine Krähe in reger Unterhaltung, sie machen mir Platz, ohne Hast. Auf der gedeckten Holzbrücke drei junge Frauen, kaum sechzehn, in Schlafsäcken, zehn Meter weiter vier Rekruten in Kampfanzügen, dem angegrauten Jogger hinterher frotzelnd. Auf der anderen Flussseite zurück durch die Uferböschung, das Laub noch hellgrün. Je näher der Stadt, desto häufiger begegne ich Herrinnen und Herren, damit beschäftigt, ihre Hunde auszuführen.

Unterhalb der Schöneggtreppe steht das grüne Frauenvelo jetzt am Strassenrand – am Ständer hängen Grasbüschel. Die Polizeiautos sind verschwunden. Das Schaf liegt unverändert, wohl tatsächlich tot. Weiter hinten im Hang ein halbes Dutzend anderer Schafe, grasend. Von der Stadt her Kirchenglocken. Ich gehe duschen.

(10.05.1992, 20.03.2001; 16.+30.5.2018)

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