Schreiben als Haltung

Das Hinderliche beim Schreiben hier und heute ist der Zwang, das Geschriebene fortlaufend verkaufen und publizieren zu müssen, um leben zu können. Wie Harald Szeemann 1969 in seiner Ausstellung «When Attitudes become Form» in der Berner Kunsthalle das abgeschlossene Kunstwerk auflöste in Attitüden, Entwürfe, Haltungen, müsste das eigene Schreiben eine Chance bekommen, zur Lebenshaltung werden zu können.

Also: Schreiben weg von der Produktion marktüblicher und -gängiger Textstücke (ob «journalistisch», «publizistisch» oder «belletristisch») hin zum Schreiben als vom Leben untrennbarer Prozess. Bei einem solchen prozeduralen Schreiben wäre «Verdichtung» eine untrennbar sprachliche und existentielle Intensität. Im marktkonformen Stücke-Produzieren dagegen ist sie eine Notwendigkeit, die es ausserästhetischen Kriterien recht machen muss (Zeilen- oder Seitenzahlen, Verlags- und Lektoratsansprüche, redaktionelle Sachzwänge, terminlicher Druck, Agendasetting der staatlichen und grossen wirtschaftlichen Player etc.)

(20.-30.08.1993; 18.12.2001; 21., 28.03.+03.04.2018)

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