Die Sprachkapitalisten

Auf Parallelen zwischen den Vermittlungsmedien Sprache und Geld hat Ferruccio Rossi-Landi hingewiesen.[1] Im Medium Geld manifestiert sich Herrschaft insofern, als immer nur eine verschwindende Minderheit Geld in genügender Menge akkumulieren kann, um es als Kapital einzusetzen, das Neues – und das heisst immer auch: neue Macht – schafft. Die allermeisten aber brauchen ihr Geld laufend, um überleben oder ihren Lebensstandard halten zu können.

Analog ist es mit der sprachlichen Kompetenz: Nur wer der Herrschaft zugehört, kann Sprache zu verbalem Kapital akkumulieren und sie über die relevanten Sprachkanäle der herrschenden Öffentlichkeit – gleichermassen Neues schaffend und Macht ausübend – verbreiten.

[1] «Des weiteren weist die Sprache (langue), insofern sie universelles Tauschmittel für jegliche Kommunikation ist, auch den oft bemerkten Aspekt eines Geldes auf, mit dem alle anderen Waren gekauft und verkauft werden.» (Ferruccio Rossi-Landi: Sprache als Arbeit und als Markt. München [Carl Hanser Verlag] 1974, S. 77)

(02.04.1989; 03.04.2018)

 

Nachtrag

Was mir beim Formulieren dieses Gedankens noch kaum bewusst war: Dass ich als Journalist diese Sprachkanäle ebenfalls nutze und demnach – zumindest als Diener oder als Hofnarr – der Herrschaft zugehöre.

Dies macht ja die Intellektuellen zu derart unsicheren Kantonisten: Ihre Arbeit besteht darin, dauernd so zu tun, als ob sie über die Kanäle der Herrschaft die Interessen jener vertreten würden, die nicht über diese Kanäle verfügen.

Intellektuelle sind Menschen, die dauernd so tun, als würden sie angestrengt am Ast sägen, auf dem sie sitzen. Wer Intellektuelle kritisieren will, muss sie darum als erstes fragen, wie sie es sich erklären, dass die Äste, auf denen sie sitzen, trotz all ihrer engagierten Aktivitäten so selten abbrechen.

(26.06.1997; 19.+26.03.2018)

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