Wissen oder Glauben? Ein Thesenspiel

1.

Es ist weder möglich zu wissen, ob man nichts glaubt, noch zu wissen, was man glaubt. Wüsste man das eine oder das andere, wäre der Glaube keiner, sondern ein Wissen. Der Modus des Glaubens ist nicht in jenen des Wissens übersetzbar und umgekehrt. Wer weiss, glaubt nicht; wer glaubt, weiss nicht.

2.

Das Gegenteil des Wissens ist nicht der Glaube, sondern das Nichtwissen. Nur wo Wissen ist, kann Nichtwissen sein. Nichtwissen schliesst den Glauben aus, Glaube schliesst Nichtwissen aus.

3.

Der Glaube kennt kein Gegenteil. «Nichtglauben» ist ein Widerspruch in sich selbst: Der Nichtglaube glaubt, dass er nicht glaubt. Atheismus als Nichtglaube ist so dogmatisch wie jeder andere Glaube auch.

4.

Der Glaube ist der Modus, der dem Bewusstsein die Illusion plausibel macht, in einem wahrnehmbaren Ganzen aufgehoben zu sein. Dagegen bleibt Wissen tatsächlich «Stückwerk». Glauben muss man, weil man «alles» wissen will. Die Hybris des Anspruchs, alles wissen zu wollen, verdammt einen dazu, zu glauben, das heisst: nichts wissen zu dürfen.

5.

Wer nach der «Richtschnur des Glaubens» handelt, handelt sozial unverantwortet, denn er kann von seinen Taten, die er begeht, nicht wissen, ob sie «gut» oder «schlecht» sind. Wer glaubt, kann nur glauben, dass er das Gute tue.

(20.1.2009; 31.01.+01.02.2018)

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