Erfolgreiches Misslingen

In einem Brief hat Walter Benjamin über Franz Kafka geschrieben: «War er des endlichen Misslingens erst einmal sicher, so gelang ihm unterwegs alles wie im Traum.»[1]

So erscheint mir mein verstärktes Engagement bei der WoZ im Jahr 1990, seit ich meine moralisch-rigorose Position, mit der ich bisher die Pläne des weiteren Ausbaus der Zeitung bekämpfte, aufgegeben habe: Man delegiert mich in den Redaktionsausschuss, von dort als dessen Vertreter in die neu geschaffene Geschäftsleitung; als WoZ-Redaktionsmitglied in das Kulturboykottkomitee; für die Produktion der ersten zwei Nummern der neuen, dickeren Zeitung in die neugeschaffene Inland-Sitzredaktion – und man hätte mich gar die Öffentlichkeitsarbeit für diese neue Zeitung, die ich doch immer bekämpft habe, machen lassen, hätte ich mich dagegen nicht gewehrt.

Wie im Traum gelingt jetzt alles (weil ich am Gelingen nicht wirklich interessiert bin) und wie im Albtraum ist alles Gelingen vom Misslingen überlagert: Jene WoZ, für die ich mich ursprünglich mit Leib und Seele eingesetzt habe, hat es nie gegeben; jene, die in den letzten neun Jahren geworden ist, ist nicht mein Projekt. (Meine WoZ war keine Zeitung, sondern eine Utopie weit über das Projekt einer Zeitung hinaus.)

[1] Zitiert nach Werner Fuld: Walter Benjamin – Eine Biographie. Reinbek bei Hamburg (Rowohlt) 1990, S. 267.

(30.09./21.10.1990; 21.11.1997; 28.08.2017; 03.06.2018)

v11.5