Staatenlos

Das Beste, was man über mich wird sagen können: Mit ihm war kein Staat zu machen.

(10.09.2006)

 

Nachtrag 1

Einige Tage, nachdem ich diese Sentenz aufgeschrieben habe, finde ich in einem Aufsatz von Claudia von Werlhof den bilanzierenden Satz: «Nur als (möglicher) kleiner oder grosser Herr(scher) scheint Mann zu wissen, wer er ist. Mit dem Feminismus war aber buchstäblich kein Staat zu machen.»

[1] Claudia von Werlhof: Keine Kapitalismus-Kritik ohne Patriarchats-Kritik!, in: Widerspruch, Nr. 50/2006, S. 105.

(10.2006)

 

Nachtrag 2

Mit der Aufgabe konfrontiert, den Soldat Lerch von der Militärdiensttauglichkeit zu befreien, verfasste der Psychiater Walter Vogt am 4. März 1980 ein Gutachten zuhanden des Militärärztlichen Dienstes des Bundesamts für Sanität. Darin hielt er als Testergebnis fest, dass «etwas feminine Interessen» und «feminine Identifikation», nebst einem manischdepressiven Syndrom das einzige gewesen sei, «was zur Not als pathologisch hätte gewertet werden können».[1]  Wenn ich von Werlhofs Sentenz mit dem Aphorismus des Werkstücks zusammendenke, so scheint mir heute, ich sei selber der Meinung gewesen, «einen Staat machen» habe für mich massgeblich damit zu tun gehabt, ein «richtiger» Mann, also ein «kleiner oder grosser Herr(scher)» zu sein. Vogt verhalf mir aus der Armee, indem er mich als Mann «zur halben Portion» machte. Soweit ich mich erinnere, behauptete ich immer, das sei mir egal. Umgekehrt habe ich in Gesprächen öfter auch vertreten, als Mann mit femininen Anteilen (wie ich Vogt umformulierte) müsse man aufpassen, im Geschlechterkrieg nicht zwischen die Fronten zu geraten. Anarchist oder halber Mann? Das Werkstück hätte ebensogut lauten können: «Das Beste, was man über mich wird sagen können: Er war kein richtiger/ganzer Mann.» Der Titel des Werkstücks könnte in diesem Fall lauten: «Zwischen den Fronten».

[1] Walter Vogt: «Betrifft 594.54.210.144 Lerch Alfred», S. 3f. (siehe hier, Link im Kommentar am Schluss des Beitrags)

(26.+31.05.2018)

v11.5