Im Anfang war das Bellen

1.

Im Anfang war das Bellen. Das Geistige kam später und wird bis heute in den Lauten des Bellens artikuliert.

2.

Die Schöpfer des existentiellen Sprachuniversums, die den sozialen Belldiskurs der ersten Jahrzehntausende auf eine qualitativ neue Ebene hoben, waren jene Menschen, denen es ist prähistorischer Zeit zuerst gelang, die Frage «Warum?» zu denken (wer?, was?, wo? und wann? gehören zum sozialen Diskurs).

Mit dem Warum konnte zum ersten Mal das objektiv Unbeantwortbare als Frage formuliert werden. Damit öffneten sich ganze Denkuniversen, die nun beredbar werden mussten, obschon sie ausserhalb des bisher Beredbaren, eben ausserhalb des sozialen Sprachuniversums lagen. Mit dem Warum öffnete sich der Horizont auf das Metaphysische, das Religiöse und das Irrationale.

Meine Hypothese ist, dass an diesem menschheitsgeschichtlichen Wendepunkt das ebenso Naheliegende wie im Rückblick Verwirrliche passiert ist: Die Warum?-Rede, die sich nach und nach zum existentiellen Sprachuniversum entfaltete, wurde in der bereits vorhandenen Sprache geführt: In den Lauten des Belldiskurses begann man zu reden über das Unbeantwortbare.

3.

Damit entstand neben dem sozialen Sprachuniversum, das für das Beantwortbare die Möglichkeit der Beredbarkeit geschaffen hatte, das existentielle, das nun das Unbeantwortbare beredbar machte.

Im existentiellen Sprachuniversum geht es darum immer höchstens in zweiter Linie um das Was – es ist sowieso unbeantwortbar –, sondern immer zuerst um das Wer: Wer darf reden und wer muss schweigen?

Es ist nicht möglich, auf gleicher Augenhöhe unbeantwortbare Fragen zu bereden. Darum ist es unmöglich, mit Priestern Demokratie zu spielen. Der Sinn ihres Bellens entfaltet sich in gläubigem Lauschen.

(02.+03.03.; 29.04.2005; 06+24.04.2018)

v11.5