Achtes Facebook-Inserat

«Liebe alle

Der vierzehnte Mäander des Stückwerk-Projekts ist fertig. Wie im Mäander 8 geht es um deutschschweizerische Männerliteratur – allerdings jetzt nicht mehr um jene der nonkonformistischen Vätergeneration, sondern um jene meiner Alterskohorte. Die Rede ist von Urs Allemann, der von Feministinnen mit Ölfarbe übergossen wird, als er seinen Prosatext ‘Babyficker’ vorstellen will. Von Marc-Philipp Meystre, der um sein Leben schreibt, bevor er über die Berner Münsterplattform hinaus in den Tod springt. Um eine Lesung der beiden Wattwiler Jungautoren Urs Richle und Peter Weber. Um Kurt Aeblis mit Wörtern gebaute, nicht endende Flucht aus den Wörtern. Um P. M.s nicht naiven Idealismus, unter Umgehung der Machtfrage den Leuten mit Utopien im Narrenkleid Mut zu machen. Oder um Lukas Bärfuss’ ‘Meienbergs Tod’, in der er eine mehrstündige Debatte zwischen Meienberg und Otto F. Walter erfindet, bei der ich – ich Gegensatz zu ihm – dabei war.

Die Rede ist also von der Arbeit jener, die nach der Marginalisierung der ‘Schweizer Literatur’ nach 1990 zu arbeiten begannen und deshalb vor ihrer ersten Buchveröffentlichung zu lernen hatten: Wer auf den Laufstegen der ‘Öffentlichkeit’, die nichts mehr ist als Markt, nicht als Mannequin oder Dressman seiner selbst auftreten will, kann nicht AutorIn sein.

Schaut doch mal vorbei – und werft auch einen Blick ins Logbuch in der rechten Spalte. Der Schriftsteller Alex Gfeller hat mich in einem Facebook-Post gefragt, warum ich aus dem ‘Stückwerk’ kein Buch mache. Im neusten Eintrag gebe ich ihm Antwort.»

*

Auf diesen Eintrag gaben folgende Leute eine Rückmeldung: Alex Gfeller, Stefan Keller, Marie-luise Koenneker, Thomas Marti, Venanz Nobel, Paul Ott, Beat Schädler, Bö Schär, Nina Seiler, Hans Ueli Siegenthaler, Peter Sigerist, Ursula Stingelin, Beat Zingg-Dinkel.

*

Mit Beat Zingg-Dinkel ergab sich folgender Austausch zur bisher in den Facebook-Inseraten verwendeten Anrede «Liebe alle»:

«Beat Zingg-Dinkel: Liebe alle?

fl.: Vielleicht ist die Anrede ‘Liebe alle’ ein bisschen gewöhnungsbedürftig. Aber genau genommen mussten wir uns seinerzeit an die Anrede ‘Meine sehr verehrten Damen und Herren’ auch erst gewöhnen. Dagegen hat ‘Liebe alle’ etwas Demokratisches, findest du nicht?

Beat Zingg-Dinkel: ‘Liebe alle’ löste bei mir vor Jahren schon schlimmste allergische Reaktionen hervor, als es in der UPD [Universitäre Psychiatrische Dienste Bern, fl.] zur Mode wurde, alle Mails die mehr als an eine Person gerichtet wurden, so lieblos wie mir schien, anzufangen. Da gäbe es etliche Alternativen die mir sympathischer scheinen, die da wären: Liebe Freunde, liebe Kollegen, Kameraden, Liebes Team etc. Wie so vieles kommt wohl auch dies aus dem englisch sprachigen Raum: ‘Dear all’ und wie so oft, finde ich diese Kopiererei eher peinlich. Falls aber ‘Liebe alle’ demokratisch klingt, dann auch ziemlich neutral, steril, unpersönlich, abstrakt etc. Wie heisst es doch so schön auf französisch: ‘L'ami de tout le monde, n'est l'ami de personne‘ – und passt zu einem Beitrag, welchen ich letzthin in einer Gratiszeitung las, nach welchem die Engländer und Amerikaner ihren Schulkindern einen besten Freund, eine beste Freundin verbieten wollen, gerade eben aus wie mir scheint fadenscheinigen Gründen der Gleichbehandlung und Inklusion. Da hat mal jemand etwas Richtiges gedacht und anstatt im rechten Moment zu stoppen, weit übers Ziel hinausgeschossen. Ich möchte hier aber noch betonen, dass ich nicht Fredi persönlich angreifen möchte, sondern in erster Linie all die, welche ihre Texte ebenfalls mit dieser für mich unsäglichen Floskel beginnen. LG

fl.: Lieber Beat, du schreibst viel Bedenkenswertes. Was meine Anrede ‘Liebe alle’ betrifft, hat mich betroffen gemacht, dass ich den eingedeutschten Anglizismus bisher übersehen habe. Langsam werde ich zum kulturimperialistisch infiltrierten Feissbuck-Trottel. Ich muss mir überlegen, ob ich nach der Fertigstellung des nächsten Stückwerk-Mäanders die Anzeige auf diesem Kanal mit einer anderen Anrede beginnen soll. Wie wär’s mit ‘Liebe Stückwerk-Interessierte’?

Beat Zingg-Dinkel:  Fände ich voll akzeptabel und ... Wäre jeder so selbstkritisch wie Du, wir lebten ihn eitel Trautheit:-) Danke jedenfalls für Dein positives Feedback ... Ich weiss, schon wieder ein Anglizismus...»

Ich werde von jetzt an in den Facebook-Inseraten die Anrede «Liebe Stückwerk-Interessierte» verwenden.

v11.5