Die Plattheit der Dinge benennen

Je mehr ich die vordergründige Plattheit der Dinge betrachte, desto mehr spekuliere ich über eine metaphysische Dimension hinter ihrer Oberfläche: Dieses Platte kann es doch nicht gewesen sein, bilde ich mir ein – manchmal aus Ärger, manchmal aus Verzweiflung, weil sich die Plattheit Jahr für Jahr nicht zu einer neuen Dimension erweitern will.

Je mehr ich aber spekuliere, desto mehr verliert sich die Sprache in metaphorischer Hermetik. Mit der Sprache hinter die Plattheit der Dinge zu kommen, ist genau insofern möglich, als ihre Unverständlichkeit in Kauf genommen wird. Umgekehrt: Sprache ist genau insofern verständlich, als sie von der vordergründigen Plattheit der Dinge handelt.

Am ehesten gelingt es noch einem Sprachverständnis aus materialistischer Sicht, aus dieser Not die Tugend einer praktikablen sozialen Verständigung zu machen. Der Zweck der Sprache ist ja nicht, der Plattheit der Dinge eine allgemein verständliche metaphysische Tiefe zu geben; der Zweck der Sprache als gesellschaftlicher Konvention ist es zu verhindern, dass Menschen sofort zu töten beginnen, wenn sie sich durchsetzen wollen.

Wenn die Sprache dies erreicht, würde ich getröstet sagen: Na immerhin.

(14.+15.11.1991; 16.12.1998; 24.+30.01.2018)

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