Das unabschliessbare Frage-Antwort-Spiel

Das mögliche Denkbare umfasst ein Universum von Fragestellungen. Die Sprache ist aber nicht fähig, eine Meta-Antwort zu formulieren, die dieses Universum als Ganzes befrieden könnte. Das ist vermutlich ein Problem der Sprachimmanenz: Was ein Ganzes bildet, kann nicht ausserhalb dieses Ganzen das Ganze reflektieren.

Weil eine solche Meta-Antwort nicht möglich ist, werden unter ständiger Auswechslung der Denkparameter – abgeleitet von den gesellschaftlich vermittelten Interessenlagen jener, die denken – immer wieder neue Fragestellungen als zentral gesetzt und immer wieder neue Antworten – und alte neu – formuliert. Philosophieren heisst deshalb wohl permanentes Reformulieren in einem unabschliessbaren Frage-und-Antwort-Spiel.

Die Notwendigkeit dieser Spracharbeit ergibt sich aus der Hoffnung, dass – soweit das dauernde Neuformulieren von Teilwahrheiten reicht – Herrschaft als dem Menschen entgegengesetzte definitive Antwort fortwährend in Frage gestellt und so gezwungen wird, sich – mit Argumenten oder Gewalt – immer wieder neu um Legitimation zu bemühen.

Nicht, dass solche Spracharbeit Herrschaft aus der Welt schaffte. Aber sie macht sie bewusst. Mehr kann Sprache nicht.

(3.09.1989, 17.09.1997; 22.+29.01.2018)

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