«Enorme Inflation der Reize»

«Wir leben in einer Zeit mit einer enormen Inflation der Reize: jeder noch lauter, schneller und greller. Naive Träume, die eigentlich jeder hat, werden von der zornigen Realität zu Boden gewalzt», kritisiert der Musiker Bänz Oester in einem Interview mit dem Bund (Berner Woche, 22.-28.12.1995). Anlass für das Interview ist die neue CD «So Far From Home» von Oesters Oktett «Snow of Tomorrow». Gegen die «enorme Inflation der Reize», fährt er fort, setze er «ein gnadenloses Ausformulieren zärtlicher Sehnsüchte», die er in die Form «ausserirdischer Kinderlieder» giesse. Diese wiederum will er als CD und bei Auftritten unter die Leute bringen, wobei viele Veranstalter zwar von der Musik begeistert seien, aber sein Oktett «einfach nicht bezahlen» könnten.

Oester formuliert sein Paradox als ein Paradox der aktuellen Kunstproduktion: Auf die wohlfeile Denunziation der Reizüberflutung folgt die Postulierung einer Marktlücke, die den eigenen Beitrag zu dieser Überflutung legitimieren und schlucken soll. Damit reduziert Oester die «Inflation der Reize» auf eine Chiffre für den gesättigten Markt, auf dem er sich durchzusetzen versucht.

(21.12.1995; 24.10.2005; 21.11.2017; 04.07.2018)

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